Jörg Schlick, Wir Kuratoren!, im Rahmen der Ausstellung Schuhe mit Heimo Zobernig im Forum Stadtpark, Graz 1996.
Wir Kuratoren!
Wir Kuratoren! Eines muss einmal klar gesagt werden, wir Kuratoren sind das Wichtigste im Kunstbetrieb. Wir sind Dirigenten und Komponisten in einem. Wir tragen die Verantwortung, wir müssen ständig neue Künstler entdecken, und sollte einer dieser Kerle nicht innerhalb von 2 Jahren Weltkarriere machen, dann ab in den Gulli. Diesen arroganten Künstlern geht es um die Freiheit. Lächerlich! Die sollen die Schnauze halten und ihre Scheiße möglichst schnell, präzise und politisch korrekt abliefern. Unsere Kunstpolitessen bestimmen, was richtig und falsch, politisch korrekt oder unkorrekt ist. Wir Kuratoren haben die Macht – und das ist gut so. Und warum haben wir die Macht? Weil wir die wahren Kunstwerke schaffen. Was früher die Farben für die Maler waren, sind heute die Künstler für uns. Ist ein Künstler ein bisschen angetrocknet, dann ab in den Gulli. Wir Kuratoren können uns nicht um angetrocknete Künstler kümmern, wir sind immer auf dem Sprung, ständig auf Materialsuche, wir müssen immer neue Kunstwerke schaffen. Ich freue mich schon auf die Zeit, wo wir Kuratoren total ohne Künstler auskommen. Wir sind die wahren Nachfolger Duchamps, für uns sind Künstler Flaschentrockner. Diese lächerlichen Neurotiker gehen uns in Wirklichkeit auf die Nerven. Sie sind immer zu spät, haben Sonderwünsche und manche glauben sogar, sie seien Genies – igittigitt. Aber wir Kuratoren haben die Macht und die bekommen diese angetrockneten Pinsel noch zu spüren. Wehe, diese Würstchen kriechen uns in den Arsch, dann aber ab in den Gulli. Denn wir Kuratoren haben das Wissen, die Macht und die Intelligenz. Die wahren Künstler sind wir. Daher gründe ich die Plattform: mehr Geld für Kuratoren, weniger für Künstler.
In: Jörg Schlick. Monografie und Werkverzeichnis. Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien (Hg.), Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln