Die Künstlerin Sonia Leimer ist in der Ausstellung trigon 67/17 mit ihrer Arbeit Instabil auf Unstabil vertreten. Im Gespräch erklärt sie die Entstehungsgeschichte ihres Beitrags und spricht über Strategien im Umgang mit Raum, über seine Inbesitznahme und Fragen der prekären Balance.
Was sind deine bevorzugten Strategien, wenn es um den Umgang mit Raum?
Zuerst möchte ich verstehen, welche Eigenschaften ein Raum hat. Dann reagiere ich darauf, indem ich diese Eigenschaften aufgreife und als Teil der Arbeit begreife. Mich interessiert dabei auch der Einfluss von geschichtlichen, sozialen und politischen Ereignissen, die einen Raum durchdringen. Durch bestimmte räumliche Eingriffe versuche ich Potentiale des Raums zu aktivieren, indem ich bestimmte, schon vorhandene Qualitäten des Raums verstärke und ihn dadurch anders erscheinen lasse.
Im Zusammenhang mit deiner Kunst ist immer mal wieder von Inbesitznahme die Rede – was bedeutet das für dich? Inwiefern ist Raum nicht immer „in Besitz genommener“ Raum? Und wie gehst du in deiner Kunst damit um? Welche Rolle spielen das Ausloten und der Umgang mit Machtverhältnissen für deine Praxis?
Vieler meiner Installationen überlegen ganz genau, wie Menschen sich sprachlich, räumlich oder filmisch Räume aneignen und sie besetzen. Meine Arbeit M (2007) zum Beispiel geht der Frage nach, wie über einen sprachlichen Raum eine Grenze definiert wird, die weit über geografische Grenzen hinausgeht. Anhand einer ganz konkreten persönlichen Geschichte, die sich zwischen New York, Wien und Rotterdam bewegt, wird ein Buchstabe Träger und Projektionsraum für kulturelle Identität. Fragen der Inbesitznahme von Raum werden dabei über die Arbeit selbst verhandelt. Ein weiteres Beispiel: meine Platzhalter-Skulpturen (2012), die ganz direkt einen Raum besetzen. Sie sind sowohl Skulpturen als auch Platzhalter für etwas anderes Denkbares, von dem wir aber nicht wissen, was es ist. Das eröffnet einen Denkraum und stellt das Besetzen als Handlung in den Vordergrund. Mein bisher größter räumlicher Eingriff, das Undefinierte Bauvorhaben (2013) in Salzburg, operiert auf ähnliche Weise. Als Fragment einer Architektur scheint diese Arbeit Platz zu halten für etwas Zukünftiges. Dass dieser Zustand dauerhaft in der Schwebe gehalten wird, unterscheidet sie von vielen anderen Skulpturen, die als zeitlich abgeschlossen bezeichnet werden können.
Neben deinen bildhauerischen Arbeiten beschäftigst du dich mit Film. Was kann der Film, was dir die Skulptur nicht geben kann – und umgekehrt?
Video ist flüchtig und ephemer und vor allem wegen der Möglichkeit, mit Narrativen zu arbeiten, für mich eine wichtige Ergänzung zu meinen skulpturalen Arbeiten.
Dein Beitrag zur Trigon-Ausstellung in Graz heißt „Instabil auf Unstabil“ und besteht aus einem wassergefüllten PVC-Ballon, der eine Wand gleichen Gewichts in der Schwebe hält. Mich hat dieses Kunstwerk nicht zuletzt an einen Box-Sack erinnert. Auf jeden Fall gibt es eine mächtige, körperliche Präsenz im Raum, die mit einer gewissen Heftigkeit daherkommt. Hat dieser Eindruck für dich eine Rolle gespielt? Und was für eine Geste steht da dahinter?
Instabil auf Unstabil ist eine Arbeit, die ursprünglich für die Räume der Galerie Nächst St. Stephan in Wien entstanden ist und räumlich für die Eingangssituation konzipiert war. Wenn man zur Tür hereinkam, so sah man zuerst auf die Rückseite einer weißen, abgehängten Wand. An der musste man dann an der Längsseite vorbei, um den Raum zu betreten und zu sehen, dass diese Wand mittels eines Gegengewichts in der Schwebe gehalten wird. Größe und Gewicht der Wand haben sich also aus dieser räumlichen Situation ergeben: Die Wand sollte so breit sein, dass sie einen Gang bildet und die Sicht auf den Raum verdeckt.
Die Arbeit war am Ende eine statische Herausforderung für die Galerieräume, da die jahrhundertealten Holzbalken der Decke das hohe Gesamtgewicht der Arbeit tragen mussten. Zudem vermutete die Galeristin, dass Peter Sloterdijks Bücher – er wohnt ein Stockwerk über der Galerie – genau darüber lagern und dass dieses zusätzliche Gewicht ein weiteres Problem darstellen könnte. Wir zogen schließlich einen Statiker hinzu, um zu berechnen ob meine Arbeit die Sicherheit des Gebäudes gefährden könnte.
Die Intention hinter dieser Arbeit war es, zwei Objekte in ein Gleichgewicht zu bringen: eine weiße leere Wand als Teil der Ausstellungsarchitektur und ein anderes Element, das als Skulptur bezeichnet werden kann. Die beiden Objekte stehen in einem direkten Abhängigkeitsverhältnis zueinander und überführten sich, beide gleich schwer, in einen Zustand der Leichtigkeit. Der mit Wasser gefüllte Sack soll genauso Präsenz zeigen wie die weiße Wand. Gut, das dich das Gegengewicht an einen Box-Sack erinnert hat!
Instabil auf Unstabil – was wird hier jenseits der puren körperlichen Ebene in Balance gehalten? Beziehungsweise: Was droht aus ihr zu kippen?
Der Sack wird solange mit Wasser gefüllt, bis er die Wand zum Schweben bringt. Die Arbeit ist eine Versuchsanordnung. Tritt Wasser aus dem Sack aus, nähert sich die Wand wieder dem Boden an. In diesem Sinne steht der Sack für ein lebendiges (Öko-)System während die Wand auf die (Kunst-)Institution referiert, auf die Rahmenbedingungen des Ausstellens und auf die Ökonomie dahinter.
Ist diese Arbeit für dich auch als Vermessung des Kunstraumes gedacht?
Nein, ist sie nicht. Aber wenn die Arbeit installiert wird, wird die Stabilität des Ausstellungsraumes oft in Frage gestellt.