On View: "trigon 67/17: ambiente nuovo / post environment"

Ein Rundgang durch die Ausstellung  „trigon 67/17: ambiente nuovo / post environment“

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Eilfried Huth, Eingangsstruktur und Zaunführung, 2017

Gerüststangen, Zaun; variable Dimension
Foto: Markus Krottendorfer

Die „Planungsgruppe Domenig/ Huth“, bestehend aus Günther Domenig (*1934 Klagenfurt – 2012 Graz) und Eilfried Huth (*1930 Pengalengan, lebt in Graz) wurde 1967 mit der Gestaltung des Ausstellungsrundgangs von trigon 67 beauftragt. Die jungen Architekten, die heute zu den Vertretern der renommierten „Grazer Schule“ zählen, hatten im Jahr davor mit einem Entwurf für die Bebauung eines Grundstücks im Ragnitztal Aufsehen erregt. Mit ihrem Konzept einer utopischen Architektur in Form einer vertikal gestapelten Wohnsiedlung widersetzten sie sich gängigen Vorstellungen der Stadtplanung in radikaler Weise. Nachdem die Auftraggeber das Bauvorhaben „Neue Wohnform Ragnitz“ verwarfen, entwickelten Domenig und Huth ihre Ideen vielfältig weiter. Für trigon 67 entwarfen Domenig und Huth mit dem „Ausstellungstransformator“ einen spiralförmigen Eingangskomplex innerhalb einer Kuppel, durch dessen ungewohnte räumliche Form und dadurch verursachte Bewegungsführung die Besucher_innen vor Betreten der eigentlichen Ausstellung darauf eingestimmt werden sollten. Als Referenz an das Konzept von 1967 hat Elifried Huth auch für trigon 67/17 eine Eingangssituation geschaffen, die auf damals aktuelle Ideen der Kurve als Bauform zurückgreift. Abermals konzipierte der Architekt auch den Verlauf eines Zauns zur Sicherung der Kunstwerke im Außenbereich des Künstlerhauses, der aus der Vogelperspektive annäherungsweise die Form eines Kontinentes (Afrika) erkennen lässt und seine Sorge um aktuelle populistische Strömungen um Fragen von Nutzung wie Verteilung von Raum und Migration andeutet.


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Esther Stocker, Ohne Titel, 2017

Klebefolie auf Wand, Kuben, Schreibtischen und Boden, variable Dimension
Neuproduktion Künstlerhaus – Halle für Kunst & Medien
Courtesy die Künstlerin
Foto: Markus Krottendorfer

Die Künstlerin Esther Stocker (*1974 Schlanders, Südtirol/Alto Adige, lebt in Wien) überzieht Oberflächen mit geometrischen, seriellen Formen und gerasterten  Strukturen. Die Wurzeln ihrer künstlerischen Praxis liegen in der Tradition der abstrakten Malerei und im russischen Konstruktivismus. Ihre begehbaren Arbeiten entstehen als Reaktion auf die Beschaffenheit und die Architektur des Präsentationsorts. Durch kalkulierte Brüche innerhalb der geometrischen Serialität wird der Bezug von Stockers Arbeiten zu Phänomenen des Sehens unterstrichen: Wände scheinen nicht mehr gerade zu stehen, perspektivische Brüche lassen die festen Begrenzungen der Räume verschwinden. In ihrer raumfüllenden Installation im Foyer des Künstlerhauses ziehen sich schwarze Linien über Wände sowie über verschieden große Kuben, wodurch die Wahrnehmung von Dreidimensionalität gezielt gestört wird. Zudem stehen die künstlerische Verfahrensweise Stockers und die architektonischen Bedingungen mit der gerasterten Durchfensterung in einem Spannungsverhältnis.


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Tina Gverović, Diamond Cuts: Sea of People, 2016

Metallrohre, Stoff, Ton, variable Dimension; Audio von Alexis Taylor, Kollaboration mit Ben Cain; Courtesy die Künstlerin und Johann Jacobs Museum, Zürich
Foto: Markus Krottendorfer
 
Die kroatische Künstlerin Tina Gverović (*1975 Zagreb, lebt in London und Dubrovnik) setzt sich in ihren immersiven, in der Präsentation variablen Installationen mit Raum, Territorium und Identität auseinander. Invention und Imagination spielen in ihrer Praxis eine zentrale Rolle, weshalb ihre Arbeiten – trotz politischer Konnotationen – durch die Wahl der Materialien und den Einsatz von Ton und Text von einer starken poetischen Natur durchdrungen sind. Die mit Gliedmaßen bedruckten Tücher und die dünnen Metallstangen in ihrer Installation Diamond Cuts: Sea of People lassen sich als ein Verweis auf ein zeitaktuelles Menschenbild lesen: Zerteilt, in stetiger Bewegung, flexibel und variabel. Als dreidimensionale Zeichnung im Raum bildet die elegante, filigrane Konstruktion für die Künstlerin ein Grundgerüst, auf dessen Basis sie sich weiteren akuten Fragen zu Migration, Flucht, Vertreibung und Wiedervereinigung widmet. Separation wird bei Gverović in trigon 67/17 sowohl inhaltlich als auch im Hinblick auf eine faktische räumliche Trennung verhandelt.


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Tina Gverović, Open Air, 2017

Außendispersion, Wand; variable Dimension, Kollaboration mit Ben Cain
Neuproduktion Künstlerhaus – Halle für Kunst & Medien
Courtesy die Künstlerin
Foto: Markus Krottendorfer


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Lara Favaretto, Gummo V, 2012

Bürsten von Autowaschanlagen, Eisenplatten, Motoren, elektrische Box, Kabel; 250 x 500 x 190 cm; im zeitlichen Verlauf variable Dimension
Courtesy Fondazione Sandretto Re Rebaudengo, Turin
Foto: Markus Krottendorfer
 
Lara Favaretto (*1973 Treviso, lebt in Turin) setzt sich in ihren Installationen und skulpturalen Arbeiten mit Monumentalität und Veränderung auseinander. In ihrer künstlerischen Praxis werden Zustände des Scheiterns, Verschwindens oder der Nutzlosigkeit als generative Prozesse positiv besetzt. Auch das Verhältnis von Skulptur und Zeit spielt für Favaretto eine wesentliche Rolle. Für ihre nach einem Film von Harmony Korine benannte Gummo-Serie hat die Künstlerin voluminöse Bürsten, wie sie in Autowaschanlagen üblich sind, in verschiedenen Farben anfertigen lassen. In Rotation gesetzt erzeugen diese Bürsten visuelle Felder, die eine malerische Dimension aufweisen. Doch die Arbeiten setzen sich nicht nur selbst in Bewegung, sondern sie bewegen auch ihr Umfeld. Die Reibung mit den Metallplatten, an denen diese Bürsten befestigt sind, erzeugen allerdings einen der Nutzung in der Waschanlage entgegengesetzten Effekt: Es entsteht ein elektromagnetisches Feld, das Staubpartikel und Schmutz anzieht, anstatt diese zu beseitigen. Eine Vorgabe der Künstlerin für die Präsentation dieser Arbeiten ist daher auch, dass am Aufstellungsort für die Dauer der Ausstellung auf eine auf eine Reinigung verzichtet wird.


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Micol Assaël, Vorkuta, 2003

Begehbare Kühlzelle, Schalttafel, Stuhl mit elektrischem Widerstand, Thermostat, Funken 210 x 220 x 350 cm
Courtesy Sammlung Sandra und Giancarlo Bonollo, Italien
Foto: Markus Krottendorfer

Micol Assaël (*1979 Rom, lebt in Astypalea) schafft Environments mit technischen Gerätschaften, immersive Räume, in denen intensive Erfahrungen gemacht werden können. Im Zentrum ihrer auf die sensuelle und kognitive Wahrnehmung ausgerichteten Praxis steht die Konfrontation des menschlichen Körpers mit elektrisch erzeugten Energiefeldern, magnetischer Anziehungskraft oder mit Naturphänomenen. Referenzen auf längst überholte wissenschaftliche Theorien spielen für die Künstlerin ebenso eine zentrale Rolle wie das Spannungsverhältnis zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem. Trotz der poetischen Qualitäten ihrer Arbeiten evoziert Assaëls radikaler Einsatz von Technik ein Gefühl des Unbehagens und der Bedrohung. Zu den frühesten Arbeiten, in denen die Künstlerin physikalische und elektrische Phänomene untersucht, zählen die beiden Versionen von Vorkuta, entstanden 2001 und 2003. Die Arbeit ist nach einem russischen Arbeitslager nördlich des Polarkreises benannt, in der zu gewissen Zeiten die Temperatur auf -60º Celsius fällt.


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Jelena Trivić, Tausendflügler, 2012

Tinte, Folie, Tapetenleim auf Leinwand; 150 x 120 cm
Courtesy die Künstlerin
Foto: Markus Krottendorfer

Die Verbindung und Erweiterung malerischer Mittel mit Druckverfahren und Techniken aus dem Bereich der angewandten Kunst zeichnet die künstlerische Praxis von Jelena Trivić (*1980 Ludwigshafen, lebt in Berlin) aus. Trivić nutzt primär Verfahren der Collage. Entsprechend der Tradition, aus der sich diese Technik entwickelt hat, appliziert sie verschiedene Bild- und Textelemente auf Leinwände. Die Auswahl der Materialien ist betont zeitgemäß. So bezieht sie etwa Tücher, mit denen in Copyshops die Druckköpfe gereinigt werden, in ihre Arbeiten ein, ebenso wie bedruckte, mit Metallösen befestigte Folien. Collagen entstehen auch in digitaler Form, indem die Künstlerin verschiedene Muster einscannt und anschließend am Bildschirm arrangiert. Auf Polyester gedruckt und auf im Raum stehenden, von Kupferringen stabilisierten Keilrahmen präsentiert, vollziehen diese unbetitelten Arbeiten den Schritt ins Skulpturale. Für trigon 67/17 hat Trivić zudem mit feinen Nadelstichen ein Portrait von Dick Fosbury (*1947 Portland, lebt in Ketchum) angefertigt. Mit dem von ihm kreierten Fosbury-Flop revolutionierte der Leichtathlet den Hochsprung.


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Sonia Leimer, Instabil auf Unstabil, 2015

Holz, Pressspann, Wandfarbe, Seil, Stahlseil, PVC-Plane, Wasser, variable Dimension
Courtesy die Künstlerin und Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder, Wien
Foto: Markus Krottendorfer

Sonia Leimer (*1977 Meran, lebt in Wien) widmet sich in ihrer künstlerischen Praxis der Konstruktion von Wirklichkeit in Auseinandersetzung mit den Dimensionen Raum und Zeit. Die Künstlerin verfolgt in ihren Arbeiten eine konzeptuelle Herangehensweise und kombiniert Elemente aus der Bildhauerei mit Architektur oder Film. Da bei Leimer Fragen zur Wahrnehmung von Kunst im Ausstellungsraum eine bedeutsame Rolle spielen, schenkt sie den verwendeten Materialien eine besondere Aufmerksamkeit. Ihre Installation Instabil auf Unstabil, in der ein mit Wasser gefüllter PVC-Ballon eine Wand desselben Gewichts in der Schwebe hält, zeigt ein heikles Abhängigkeitsverhältnis: Temporär schafft diese Konstellation Stabilität, ihr droht aber ständig die Gefahr – beispielsweise durch Umwelteinflüsse wie Verdunstung – aus dem Gleichgewicht zu geraten. Den Halt der Arbeit müssen die Wände des Künstlerhauses garantieren; und so lässt sich diese im übertragenen Sinne auch politisch als Verweis auf die Abhängigkeiten im Kunstbetrieb lesen.


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Max Frey, Große Klappe, 2017

Pressspan, Dachlatten, Kabel, Seile, Rollen, Maschine; variable Dimension, Unikat
Courtesy der Künstler und Galerie Krobath, Wien; Leslie, Berlin
Foto: Markus Krottendorfer
 
Einer statischen Präsentation in konventionellen Ausstellungsdisplays wiedersetzen sich Max Freys (*1976 Graz, lebt in Berlin) kinetische Arbeiten. Sie geben sich wandlungsfähig, kreisen um sich selbst oder bleiben im stetigen Fluss. In seiner künstlerischen Praxis geht Frey oft von den Bedingungen des jeweiligen Ausstellungsortes aus und nähert sich diesem über den Einsatz von Licht oder Bewegung an. Der Titel seiner in den Seitenraum des Künstlerhauses eingepassten, interaktiven Arbeit Große Klappe beschreibt zunächst im buchstäblichen Sinne deren Funktionsweise: Eine überdimensionale Raumplatte wird mechanisch nach oben gezogen und von einem Elektromagneten an der Wand gehalten. Auf Knopfdruck löst sich diese Platte schließlich aus der Vertikalen und fällt zu Boden. Die Bewegung löst eine Druck- welle aus, die sich – für Betrachter_innen körperlich spürbar – über den gesamten Ausstellungsraum ausbreitet. Die Monumentalität der Klappe, die ruckartige Bewegung des Falls und der erzeugte Luftdruck wecken Gefühle der Verunsicherung und Einschüchterung. So konnotiert die Arbeit auch im übertragenen Sinn die Konfrontation mit der „großen Klappe“ eines Gegenübers: mit jemandem, der den Mund weit aufmacht und sich großtuerisch in Szene setzt.


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Tina Frank / Peter Rehberg, 20160815V, 2016/17

Spiegelboden, HD-Video, Farbe, Ton, 3 Min., variable Dimension
Courtesy die Künstler
Foto: Markus Krottendorfer
 
Die Künstlerin und Designerin Tina Frank (*1970 Tulln, lebt in Wien) beschäftigt sich mit der experimentellen Visualisierung von Musik. Früh setzte sie digitale Medien und Verzerrungen ein, um Verpackungen für LPs und CDs aus dem Experimentalmusikbereich oder Interfaces für Webseiten zu gestalten. Regelmäßig arbeitet sie mit verschiedenen Musiker_ innen zusammen und entwirftdigitale Landschaften zu deren elektronischen Kompositionen. In 20160815V entwickelt Frank Muster zur Musik von Peter Rehberg (*1968 London, lebt in Wien), die als Angriff auf die hochauflösenden Megapixel digitaler Grafiken verstanden werden können. Der makellosen Digitalkultur setzen Frank und Rehberg bewusst Störungen wie Verpixelungen, ruckelige Übergänge und starke Kontraste entgegen. Durch Referenzen auf das Analoge, wie den Einbezug des für Videobänder typischen Testbildstreifens, wird das Vorhaben unterstrichen, dem Digitalen eine durch Grobkörnigkeit erzeugte Authentizität entgegenzusetzen. Der Spiegelboden als Teil der Präsentation im Künstlerhaus potenziert die immersive Kraft von Frank und Rehbergs elektronischen Bild- und Klangwelten, macht ihr Video zum Ambiente und führt zu weiteren Verzerrungen.


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Ludovica Carbotta, Monowe (the terminal outpost), 2017

Holz, Eisen, Sperrholz, Drahtseil, Plexiglas, hitzeschrumpfende Plastikfolie, 825 x195 x 317 cm; Projektausführung von orizzontale, Rom
Neuproduktion Künstlerhaus – Halle für Kunst & Medien, Courtesy die Künstlerin und Galerie Marta Cervera, Madrid
Foto: Markus Krottendorfer
 
Den Ausgangspunkt der Arbeiten Ludovica Carbottas (*1982 Turin, lebt in Maastricht) bildet die Interaktion von Individuen im Stadtraum untereinander sowie mit der sie umgebenden Umwelt. Die Installationen, Texte und Performances der Künstlerin widmen sich den Themenkomplexen Identität und Kommunikation und lassen die Grenzen zwischen Fakt und Fiktion verschwimmen. Monowe (the terminal outpost) ist ein weiteres Kapitel ihres gleichnamigen Projekts einer fiktiven Stadt in der Zukunft, die lediglich für eine einzelne Person konzipiert ist. Als Wachturm, der dem Bewohner von Monowe die Kontrolle über die Grenzen der Stadt erlauben soll, ist die Arbeit am äußeren Rand des Ausstellungsareals platziert. Durch seine Aufstellung kopfüber wird allerdings dessenparadoxe Funktion betont: Der Wachturm dient der Übersicht über eine Stadt, die weder sichtbar noch in ihren Grenzen definiert ist. Im Hinblick auf die aktuellen politischen Bestrebungen zur Überwachung im öffentlichen Raum sowie zur Verschärfung von Grenzkontrollen kann Carbottas Arbeit als eine Anregung zu mehr Gemeinschaftlichkeit verstanden werden.


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Tobias Putrih, Double Exchange, 2017

Zwei Teile, je ein Stapel mit roten bzw. grauen Industriesteinen, jeweils auf vier Holzpaletten, variable Dimension; Neuproduktion Künstlerhaus –Halle für Kunst & Medien
Courtesy der Künstler

Anweisung: Nehmen Sie einen Stein vom roten Stapel und platzieren Sie diesen auf dem grauen Stapel. Nehmen Sie anschließend einen Stein vom grauen Stapel und platzieren Sie diesen auf dem Stapel mit den roten Steinen.
 
Die raumfüllenden Arbeiten des slowenischen Künstlers Tobias Putrih (*1972 Kranj, lebt in Cambridge, Massachusetts, und Ljubljana) beziehen sich auf Utopien und Ideologien der klassischen Avantgarde. Referenzen findet Putrih sowohl in der Geschichte der Architektur als auch in der Entwicklung des Designs sowie in Theorien aus den  Gesellschaftswissenschaften. Seit mehreren Jahren setzte er sich mit Konzepten aus der Spieltheorie auseinander, die er in interaktiven Installationen variiert. Durch den Austausch von roten und grauen Steinen in Double Exchange entstehen konstruktivistisch anmutende Gebilde, die wahlweise an Architekturruinen, an in Entstehung befindliche bildhauerische Arbeiten oder an Skylines weit entfernter Städte denken lassen.


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Clemens Hollerer, The Locust, 2017

Lack auf Holz, Dimension variabel; Neuproduktion Künstlerhaus –Halle für Kunst & Medien
Courtesy der Künstler
Foto: Markus Krottendorfer
 
Basierend auf umfassenden Recherchen zu unterschiedlichen Zerstörungsszenarien schafft der steirische Künstler Clemens Hollerer (*1975 Bruck/Mur, lebt in Bad Gleichenberg) seit 2008 aus lackierten Holzlatten komplexe, skulpturale Environments und räumliche Installationen. Hollerer verfolgt eine ortsspezifische Praxis, stellt seine Arbeiten also bewusst in einen Zusammenhang mit dem Ort der Präsentation. Der Stadtpark, der im Zentrum von Graz einen Lebens- und Entwicklungsraum für Flora und Fauna bietet, bildet den Ausgangspunkt für The Locust. Die Verbindung zur Natur ist für die Installation zentral. Industriell verarbeitetes und anschließend noch in der betont künstlichen Farbe Telemagenta gestrichenes Holz tritt hier in Konkurrenz zum natürlichen Wirt, aus dem dieser Rohstoff gewonnen wird, dem Baum. In Hollerers Arbeit erweisen sich unbehandeltes und behandeltes Material als aneinander anpassungsfähig, trotz ihrer Unterschiedlichkeit bilden sie zusammen ein künstlerisches Werk. Mit Andersartigkeit ist auch die für diese Arbeit titelgebende Wanderheuschrecke (engl. „locust“) konfrontiert. Durch ihr Nomandentum ist sie kontinuierlich unterschiedlichen (Über-)Lebensbedingungen ausgesetzt. Wanderheuschrecken verändern ihre temporären Lebensräume zumeist nicht im positiven Sinne. Die Arbeit konnotiert somit die Veränderung bis Zerstörung gewohnter Habitate.
 

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Hans Schabus, Auf der Suche nach der endlosen Säule (Graz), 2017

Autoreifen, Auto, Stellböcke, Beton, Aluminium, Holz, Packdecke, Apfel, Landkarte; 88 x  63 x 63 cm und 167 x 180 x 447 cm, Neuproduktion Künstlerhaus – Halle für Kunst & Medien
Courtesy der Künstler
Foto: Markus Krottendorfer
 
Dieses Kunstwerk befindet sich sowohl auf der Außenfl.äche des Künstlerhauses als auch in der Tiefgarage darunter (Ebene 2, mehrere Zugänge außerhalb des Ausstellungsareals). Zahlreiche der Arbeiten von Hans Schabus (*1970 Watschig, lebt in Wien) basieren auf ausgefallenen Expeditionen, in denen der Künstler den Raum teilweise unter physischen und psychischen Herausforderungen durchquert. Der Künstler hat mit einem Segelboot Abwasserkanäle erkundet oder ist die USA von der West- zur Ostküste mit einem Rennrad abgefahren. In trigon 67/17 setzt sich Schabus ein weiteres Mal mit der Endlosen Säule des rumänischen Bildhauers Constantin Brâncuși (*1876 Hobița – 1957 Paris) auseinander. Brâncuși bezeichnete die seit 1937 in dem rumänischen Ort Târgu Jiu mit identischen Eisenelementen emporwachsende Skulptur als „Himmelsreiter“. Die von Schabus auf dem Dach des Treppenhauses der Parkgarage aufgestapelten Autoreifen sind eine indirekte Referenz an Brâncușis Skulptur und verweisen auf das entkoppelte Auto des Künstlers in der darunterliegenden Tiefgarage. Das aufgebockte Fahrzeug wird dabei selbst zur Vitrine für skulpturale Überlegungen von Bewegung und Stillstand und für die räumliche Verschränkung von Innen und Außen wie auch Oben und Unten.


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Markus Wilfling, Spiegelkabinett, 2007

Nirosta, Aluminium, 450 x 1170 x 740 cm
Courtesy der Künstler
Foto: Christian Redtenbacher

Der Bildhauer Markus Wilfling (*1966 Innsbruck, lebt in Graz) setzt sich in seinen Arbeiten humorvoll mit der Geschichte der Skulptur auseinander. Durch die Einbettung in einen ihrer ursprünglichen Nutzung leicht entrückten Zusammenhang lässt er unscheinbaren Alltagsobjekten eine gesteigerte Aufmerksamkeit zukommen. Badewannen etwa versinken bei ihm im Boden, Parkbänke ragen über abschüssige Hänge hinaus. Auch über die Auseinandersetzung mit Spiegelung und Schatten in Verbindung mit Architektur evoziert Wilfling subtile Störungen der Wahrnehmung. Sein Spiegelkabinett etwa ist eine betretbare, monumentale Quaderstruktur, bestehend aus gleich großen, aneinandergereihte (Spiegel-) Rahmen. Die Spiegel selbst allerdings fehlen. Stattdessen geben die Rahmen Spiegelungen wieder. Die sich wiederholenden Strukturen erzeugen zudem den Eindruck von Spiegelung. Zusammen verändern diese beiden Faktoren die Wahrnehmung des Raumes und erschweren so die exakte Bestimmung des eigenen Standorts innerhalb der Konstruktion.


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Rosa Barba, Free Post Mersey Tunnel, 2010
Ton, Rohre, variable Dimension
Courtesy die Künstlerin
Foto: Markus Krottendorfer
 
Die deutsch-italienische Künstlerin Rosa Barba (*1972 Agrigent, lebt in Berlin) ist insbesondere für ihre Auseinandersetzungen mit dem Medium Film bekannt. Ihre zwischen Dokumentation und Fiktion changierenden Arbeiten umkreisen die Konstruktion von filmischem Raum sowie den Umgang mit Zeit im Film. Auf konzeptuelle Weise geht Barba den Bedingungen, Grammatiken und Materialitäten des Kinos nach. Das Verhältnis vom Raum und Film thematisiert sie zudem durch die bewusste Offenlegung der Vorführapparate. Entsprechend lassen sich ihre Arbeiten auch unter bildhauerischen Aspekten verhandeln. Einer Erweiterung des traditionellen Skulpturbegriffs folgt auch ihre Soundinstallation Free Post Mersey Tunnel, die erstmals 2010 auf der Liverpool Biennale gezeigt wurde. Aus den sich labyrinthisch ausbreitenden Metallrohren ist Autoverkehr sowie das Surren eines Ventilationssystems zu hören. Die Künstlerin hat diese Geräusche in Liverpool aufgenommen, im Abluftschacht unter der Autobahn, die den Verkehr dort unter den Fluss Mersey hindurchleitet. Die räumlichen Gegebenheiten am Burgring mit dem Künstlerhaus und der unterirdischen Parkgarage lassen eine Übertragung der auf Liverpool bezogenen Ausgangsidee auf die Situation in Graz zu.


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Flaka Haliti, Concerned by the ghost without being bothered, 2017

Bannerflaggen, Dropflags, Bowflags, Metall, Digitaldruck, Sprühfarbe, Beton, variable Dimension
Courtesy die Künstlerin und Deborah Schamoni, München
Foto: Markus Krottendorfer
 
In den gesellschafts- und medienanalytischen Arbeiten von Flaka Haliti (*1982 Priština, lebt in München) spielen die Erfahrungen, die die Künstlerin in unterschiedlichen Lebensräumen und deren jeweiligen spezifischen Einflüssen gemacht hat, eine essentielle Rolle. Über konzeptuelle Überlegungen nähert sich Haliti Themen wie Feminismus, Kapitalismus oder Imperialismus. Dem in der Kunstwelt üblichen, ungebundenen Kosmopolitismus setzt sie in ihren Arbeiten Themen wie Migration und Flucht entgegen. Concerned by the ghost without being bothered basiert auf dem Buch Marx‘ Gespenster (1993) des französischen Philosophen Jacques Derrida. Darin steht der Begriff des „Spektralen“, des Gespenstischen – also dem nicht mit dem Gegenwärtigen identischen – im Mittelpunkt. Die Geister treten bei Haliti in Form unterschiedlicher, mit blauen Linien versehenen Werbebannern in Erscheinung. Auf einem Untergrund, der sich vom übrigen Ausstellungsareal von trigon 67/17 durch seine blaue Markierung abhebt, kann die Zusammenkunft der Geister bei Haliti wahlweise als Versammlung, Prozession oder Demonstration interpretiert werden.


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Austellungsansicht Sektion trigon 67, Untergeschoss Künstlerhaus – Halle für Kunst & Medien
Foto: Markus Krottendorfer


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Eilfried Huth, Filmaufnahmen, trigon 67, 1967
Film, 8mm, Farbe, ohne Ton, transferiert auf Video, 36 min.

Eilfried Huth, Fotodokumentation, trigon 67, 1967
153 Fotografien
Foto: Markus Krottendorfer

Während des Aufbaus und der Laufzeit von trigon 67 fertigte Eilfried Huth Filmaufnahmen vom Treiben am Künstlerhaus an. Der Eingangskomplex wird darin ausführlich gezeigt; insbesondere aber kommt die Farbigkeit der in trigon 67 gezeigten Kunstwerke in seinem Film besonders zur Geltung. Die Ausrichtung der im Foyer des Künstlerhauses präsentierten phantastisch-surrealistischen Malereien von Jaki Jože Horvat (*1930 Murska Sobota – 2009 Nazarje) auf eine räumliche Betrachtungsweise hin kann darin auch besonders gut nachvollzogen werden. Der slowenische Künstler präsentierte die vor Ort im Künstlerhaus gefertigten Arbeiten eingebunden in portable Aufsteller, von denen auch die horizontal angebrachten Fußpartien und die schräg gestellten Deckenabschnitte bemalt waren. Highlight des Films von Huth sind Aufnahmen eines Mode-Fotoshootings in der Ausstellung trigon 67, beauftragt vom Burda-Verlag. Die Models posieren, entsprechend der partizipatorischen Ausrichtung der Ausstellung, vor den und innerhalb der Kunstwerke. Als Kulisse dient auch Vjenceslav Richters (*1917 Drenova – 2002, Zagreb) Ausstellungsbeitrag, der letztlich unfertig gezeigt wurde. Richter hatte geplant, einen aus Glasröhren bestehenden Kubus anzufertigen, aus dem eine Halbkugelform im Durchmesser von ca. 2,5 m „herausgeschnitten“ war. Aufgrund der Komplexität der Ausführung konnte sein Konzept nicht seinen Vorstellungen entsprechend realisiert werden. Auch eine Alternativ mit Beton als Material führte nicht zum von Richter intendierten Erfolg.


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Miroslav Šutej, Rain Environment, 1967/2013

Diverse Materialien, variable Dimension
Courtesy Neue Galerie am Universalmuseum Joanneum, Graz
Foto: Markus Krottendorfer
 
Der kroatische Künstler Miroslav Šutej (*1936 Duga Resa – 2005 Krapinske Toplice) wurde in den 1960er-Jahren mit graphischen Arbeiten bekannt, in denen er anhand von optischen Effekten Volumen, Nähe und Ferne suggerierte. Sein Übergang zur Objektkunst war zuerst von einfachen geometrischen Formen wie Zylindern oder Halbkugeln inspiriert, bevor der Künstler sich der Konzeption von Environments zuwandte. Die erste Umsetzung eines Envi-ronments über den Entwurfscharakterhinaus war sein in trigon 67 im grafischen Kabinett gezeigtes Rain Environment, einer künstlich erzeugten, auf natürlichen Formen basierenden Umgebung. Šutej überzog die Decke des Raums mit einer blauen, aus Plastik geformten Wolke; rot und gelb bemalte, in engem Abstand nebeneinander an Schnüren herabhänge Tischtennisbälle sollten Regenfall darstellen. Die Bodenpartie bestand aus einem grünen Teppich, der mit fünf bunten, aus Holz gefertigten Blumen bestückt war. Die Wände waren mit einer metallischen Folie überzogen. Neben optischen Qualitäten sollte Šutejs Allegorie der Natur auch haptische Erfahrungen vermitteln.


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Drago Tršar, Studienblatt zu trigon 67, 1967

Feder in schwarzer Tusche laviert; Courtesy Neue Galerie am Universalmuseum Joanneum, Graz
Foto: Markus Krottendorfer

Drago Tršar (*1927 Planina, lebt in Ljubljana) zählt mit seinen abstrakten Skulpturen zu den bedeutendsten slowenischen Bildhauern der Moderne. Nach dem Studium an der Kunstakademie in Ljubljana trat er dort 1961 eine Assistentenstelle, 1967 schließlich eine Professur an. Im Ausstellungsrundgang von trigon 67 stießen die Besucher_innen im Außenbereich auf Tršars Beitrag. Dieser bestand aus sechs zu einer Pyramide angeordneten Betonröhrenelementen, wie sie zum Silobau verwendet wurden. Die Objekte hatten denselben Durchmesser, wiesen jedoch unterschiedliche Tiefen auf. Die nebeneinander platzierten drei Röhren der untersten Reihe waren halbiert, ragten also nur zur Hälfte aus der Rasenfläche des Außenareals heraus. Eines der beiden Röhrenteile auf der mittleren Ebene war innen mit ca. 40 cm hohen pyramidenförmigen Zacken versehen, die an Zähne erinnerten. Den oberen Abschluss bildete das Röhrenelement mit der geringsten Tiefe. Im Katalog gibt Tršar zu seiner monumentalen Skulptur an: „Ich habe mir zur Aufgabe gemacht, den lebendigen und toten Raum auszugleichen, feste Verbindungen beider Werte zu bestimmen und auszugleichen, Gegensätzen eine Unterstützung zu geben. Das Komponieren der Räume in die Gestaltung einer Pyramide vereinheitlicht alle Räume in gemeinsames Wachstum.“


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Luciano Fabro, Concetto spaziale, 1967

Fotomontage, Kopie, Millimeterpapier, Filzstift, 9 x 11 cm, 18 x 20 cm, 22 x 20 cm, 18 x 17,5 cm
Courtesy Neue Galerie am Universalmuseum Joanneum, Graz
Foto: Markus Krottendorfer
 
Der italienische Künstler Luciano Fabro (*1936 Turin – 2007 Mailand) ist bekannt für seine raumbezogenen Installationen und Skulpturen aus naturverbundenen „armen“ Materialien. Er war einer der sechs Künstler, die im September 1967 in der von dem italienischen Kunstkritiker und Kurator Germano Celant (*1940 Genua, lebt in Mailand) in Genua konzipierten Ausstellung Arte povera e IM spazio (Arme Kunst und IM Raum) gezeigt wurden. Er gilt als einer der Hauptvertreter der Arte Povera. Nur wenige Tage vor seiner Ausstellung in Genua präsentierte Fabro in Graz im Inneren des Künstlerhauses einen leeren, weißen, hell erleuchteten Raum. Als gliedernde Elemente fungierten lediglich eine Leuchtstoffröhre und zwei gleich große Durchgänge. Fabros Konzeption der Arbeit sah zwei identische, aneinander anschließende Räume vor, der Zugang zum zweiten Raum war jedoch rückseitig von einer aufgespannten Leinwand verstellt. Dieser Raum konnte also nicht visuell erfasst, sondern lediglich in der Vorstellung spekulativ erschlossen werden. Wahrnehmung, Reflexion und Erkenntnis kamen in Fabros minimalistichem Ambiente zusammen.


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Enzo Mari, Ohne Titel, 1967

Filzstift auf Kohlepapierpause, Klebestreifen, 21 x 59,4 cm
Courtesy Neue Galerie am Universalmuseum Joanneum, Graz
Foto: Markus Krottendorfer
 
Der Künstler und Designer Enzo Mari (*1932 Novara, lebt in Mailand) beschäftigt sich in seinen Arbeiten mit Fragen der Wahrnehmungspsychologie. 1952 eröffnete er ein eigenes Designstudio in Mailand, in dem er über sechzig Jahre lang arbeitete. Seine Werke umfassen Objekte, Möbel und Keramik, aber auch Spiele und Bücher. Maris theoretische Überlegungen konzentrieren sich vor allem auf die Rolle von Designer und Objekt im Alltag. Für seinen Beitrag in trigon 67 ist die Idee des „Behälters“ zentral. Anhand von 13 identischen Boxen in den Maßen 60 x 60 x 120 cm nahm der Künstler eine wahrnehmungspsychologische Untersuchung des Verhältnisses von Behälter und Raumwirkung vor. Die Boxen waren  aneinandergereiht in Augenhöhe angebracht und konnten jeweils durch eine der Schmalseiten eingesehen werden. Die inneren Wände der Quader waren so in Schwarz oder Weiß eingefärbt, dass jeder Quader eine andere Raumwirkung hatte. Die Wahrnehmung der Raumvolumina wurde also durch die Intensität des jeweiligen Farbtons und die Verhältnisse der Farbflächen zueinander beeinflusst.


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Gianni Colombo, Spazio elastico, 1974

Lackiertes Holz, Gummizüge, Nägel
Courtesy Neue Galerie am Universalmuseum Joanneum, Graz
Foto: Markus Krottendorfer

Die Auseinandersetzung mit optischen Phänomenen stand im Mittelpunkt des Werks von Gianni Colombo (*1937 Mailand – 1993 Melzo). Bekannt ist er insbesondere für seine kinetischen Environments und die gezielte Verwendung von Licht. Der Bezug zum Umraum und zur Architektur spielte für den Künstler eine zentrale Rolle. In seiner in trigon 67 präsentierten Arbeit Spazio elastico kamen Licht, Raum und Bewegung zusammen. Über Lichtschleusen konnten die Besucher_innen einen im Künstlerhaus installierten Kubus von etwa 3 x 3 x 3 Metern betreten. Der Innenraum bestand aus einem isometrischen Netz aus elastischen Gummibändern; der Boden war mit flachen, sich wiederholenden Rampen ausgelegt. Rhythmisch fluoreszierende Lichtsignale machten die Strukturen des Raumes sichtbar, eine Berührung der Gummibänder veränderte dessen räumliche Gegebenheiten. Colombo schuf so ein Ambiente, das sowohl auf den Gleichgewichtsinn als auch auf die Raumwahrnehmung Auswirkungen hatte.


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Giuseppe Uncini, Skizze zu trigon 67, Prospetto 1, 1967

Bleistift, Rotstift, 48 x 66 cm
Courtesy Neue Galerie am Universalmuseum Joanneum, Graz
Foto: Markus Krottendorfer

Der italienische Künstler Giuseppe Uncini (*1929 Fabriano – 2008 Trevi) begann in den 1950er-Jahren mit von der informellen Malerei beeinflussten Materialbildern, in denen er anstatt der Farbe etwa Erde und Sand einsetzte. In den Folgejahren gehörte er zu den ersten Künstlern, die mit Zement und Eisen arbeiteten. Diese für sein weiteres Schaffen charakteristischen Stoffe waren typische Materialien der Bauindustrie zur Mitte des letzten Jahrhunderts. Ab Mitte der 1960er- Jahre wandte sich Uncini mit seinen Werken einer Erforschung des Raums zu. Im Rückgriff auf den Konstruktivismus der 1920er-Jahre schuf er Räume, die nur durch ihre Umrisse definiert waren, welche er aus Aluminiumst.ben formte. Eine zwischen Zeichnung, Skulptur und Architektur changierenden „strutture spazio“ ist auch sein in trigon 67 gezeigtes Schlüsselwerk Unità Cellulare, mit dem er seinen Skulpturbegriff definierte. Es bestand aus orangefarbenen Stahlstangen, die in ihrer Zusammenstellung die Umriss-linien eines lebensgroßen, möblierten Innenraums nachzeichneten. Mit helleren Stangen deutete Uncini zudem den Schattenwurf dieser Formen an. So wurde nicht nur die Struktur eines Raums erfasst, sondern auch der diesen konstituierende, virtuelle Zwischenraum. Eine Rekonstruktion von Unità Cellulare ist seit 2008 im Österreichischen Skulpturenpark zugänglich.


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Roland Goeschl, Sackgasse (Modell), 1967

Gips, Novopanunterplatte, 27 x 39 x 20,2 cm
Courtesy Neue Galerie am Universalmuseum Joanneum, Graz
Foto: Markus Krottendorfer

Roland Goeschl (*1932 Salzburg – 2016 Wien) zählt zu den prägenden Bildhauern Österreichs. Die traditionelle Auffassung von Skulptur erfuhr in seinen von Konstruktivismus beeinflussten, architektonischen Raumgebilden und Arbeiten im öffentlichen Raum eine radikale Erweiterung. Als Schüler Fritz Wotrubas ging Goeschl anfangs noch vom menschlichen Körper aus, bevor er ab den 1960er-Jahren mit elementaren Formen und Körpern in den Primärfarben Blau, Rot und Gelb experimentierte. Die in trigon 67 auf dem Außenareal präsentierte Sackgasse nimmt in seinem Werk eine Schlüsselposition ein. Die monumentalen, etwa vier Meter hohen Körper aus Polyester, aus denen das Werk bestand, waren so zusammengestellt, dass ein Zutritt unweigerlich in die Titel gebende Sackgasse führte. An den Außenseiten gelb, waren die vier Teile im Inneren in den Farben Blau und Rot gehalten; es entstand der Eindruck einer vertikalen Zerklüftung. Die klassischen Fassaden der Gebäude am Burgring, die den Hintergrund der trigon-Ausstellung bildeten, standen in einem auffallenden Kontrast zur intensiven Farbigkeit dieser Arbeit.


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Mario Ceroli, Entwurfsarbeiten trigon 67, 1967

4 Fotokopien, 1 Foto, 27 x 26 cm, 23 x 18 cm
Courtesy Neue Galerie am Universalmuseum Joanneum, Graz
Foto: Markus Krottendorfer
 
Der Italiener Mario Ceroli (*1938 Castelfrentano, lebt in Rom) wurde in den 1960er-Jahren mit Silhouetten aus Kistenholz bekannt. Als Autodidakt arbeitete er zunächst mit Keramik als Werkstoff, anschließend ging er zu unbehandeltem Holz über. In trigon 67 präsentierte er in zentraler Position im Park neben dem Künstlerhaus eine ins Dreidimensionale erweiterte Darstellung von Leonardo da Vincis vitruvianischem Menschen. Dessen Silhouette mit ihren idealisierten Proportionen war in die Mitte einer aus Holz gefertigten, angedeuteten (Welt)Kugel mit einem Durchmesser von 4 Metern eingelassen. Arme der Figur waren durch Scharniere beweglich. Die offene Kugelform ließ den Blick auf die unmittelbare Umgebung zu, gleichzeitig war Cerolis Arbeit während der Zeit der Ausstellung mehrfach harmlosen „pornographischen Adaptionen“ ausgesetzt; so wurde ihr beispielsweise ein überdimensionierter Penis angesteckt.


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Rudolf Pointner, Alpha nach Omega, 1967
Stahlstich, Radierung, Tusche, 14,8 x 29,4 cm
Courtesy Neue Galerie am Universalmuseum Joanneum, Graz

Rudolf Pointner, Wir sind Reisende zwischen zwei Stationen, 1967
Tusche, 44 x 44 cm
Courtesy Neue Galerie am Universalmuseum Joanneum, Graz

Rudolf Pointner, Von Stern zu Stern, 1967
Tusche, 44 x 44,1 cm
Courtesy Neue Galerie am Universalmuseum Joanneum, Graz

Foto: Markus Krottendorfer

Das Werk des Autodidakten Rudolf Pointner (*1907 Zadar – 1991 Graz) ist beeinflusst von der Volkskunst, der außereuropäischen Kunst und dem Surrealismus. Seine avantgardistischen Ideen brachten den Künstler wiederholt in Konflikte, etwa wurde gegen ihn während der Naziherrschaft von der Reichkulturkammer ein Malverbot ausgesprochen. In den 1950er-Jahren wandte er sich einer informellen Praxis zu. In Auseinandersetzung mit Kulturformen des alten Süd- und Mittelamerikas entwickelte Pointner schließlich eine eigenständige Formulierung des Surrealismus, die von magischen und esoterischen Elementen bestimmt wurde. Die psychedelische Prägung, die Anfang der 1970er-Jahre in seinen Werken deutlich hervortritt, ist bereits in seinen in trigon 67 gezeigten 36 Ölbilder sichtbar. Im seitlichen Kabinett platzierte Pointner eine quaderförmige, vollständig mit Gemälden behängte Stellwand. An den schwarz gestrichenen Wänden des Raums präsentierte er weitere Malereien. Entsprechend des Titels seines Beitrags Wir sind Reisende zwischen zwei Stationen, Reisende von Stern zu Stern erzählten die Gemälde symbolhaft die Geschichte von Passagieren, die von einem Hubschrauber zum Abflugplatz auf der Erde gebracht werden, dann mit einem Raumschiff zu einem Stern und schließlich mit einem anderen Raumschiff zu einem weiteren Stern reisen.


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Josef Pillhofer, Vogel I, 1958
Bronze, 36 x 34 x 36 cm
Courtesy Susanna Tabaka-Pillhofer, Wien
 
Josef Pillhofer, Vogel II, 1967/70
Bronze, 25 x 24 x 36 cm
Courtesy Neue Galerie am Universalmuseum Joanneum, Graz
 
Josef Pillhofer, Ohne Titel (Modell trigon 67), 1967
Holz, Kunststoff, Schnüre, 40 x 36 x 60 cm
Courtesy Susanna Tabaka-Pillhofer, Wien
 
Josef Pillhofer, Ohne Titel (Zeichnungen trigon 67), 1967
2 Zeichnungen, Tusche, Bleistift, 30,7 x 43,2 cm und 24,4 x 31,7 cm
Courtesy Susanna Tabaka-Pillhofer, Wien

Das bildhauerische Werk Josef Pillhofers (*1921 Wien – 2010 Wien) ist gekennzeichnet durch die Auflösung der menschlichen Figur in geometrische Körper. Als Student entdeckte der Künstler den Kubismus für sich; während eines Parisaufenthalts, bei dem er auch die Künstler Constantin Brâncuși (*1876 Hobița – 1957 Paris) und Henri Laurens (*1885 Paris – 1954 Paris) kennenlernte, konnte er seine Kenntnisse vertiefen. Pillhofer arbeitete mit traditionellen Materialien wie Bronze, Holz, Stein und Eisen, bevorzugt im kleineren Format. Auch seine monumentale Außenskulptur für trigon 67 basiert auf einem etwa 40 cm hohen Modell, das die Gestalt eines Vogels abstrahiert. Mit Unterstützung einer Schlosserfirma entwickelte Pillhofer schließlich eine 5 Meter hohe Gerüststruktur, die aus sechs Prismen mit sechs eingeschriebenen Tetraedern bestand. Abschließend wurde die gesamte Konstruktion mit weißer Farbe bemalt. Nicht nur die Außenform, sondern auch die innere Struktur des Werks erfuhr so eine besondere Betonung.


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Oswald Oberhuber, Kopfspiele, auf Gold, 1967

Gold, Bleistift, Malkreide, Filzstift, 96 x 58 cm;
Courtesy Neue Galerie am Universalmuseum Joanneum, Graz
Foto: Markus Krottendorfer

Oswald Oberhuber (*1931 Meran, lebt in Wien) opponiert mit seinen heterogenen Arbeiten gegen die Idee des konzisen, durch einen individuellen Stil geprägten Werks. In den 1950er-Jahren fertigte er etwa informelle Plastiken an, Ende der 1960er-Jahre widmete er sich dann der Konzeptkunst. Sein Environment in trigon 67 war ein 8 Meter hoher Turm mit Durchmesser von 4 Meter, der von der Apsis aus über eine aus dem Künstlerhaus herausführende Zugangsröhre betreten werden konnte. Im Inneren dieses Turms standen die Besucher_innen einem überdimensionierten Gesicht gegenüber. Am Eingang, einem großen Maul, musste ein Zahnobjekt passiert werden, anschließend betrat man eine rote Zunge. Der Innenzylinder des Turms war in einem surrealistisch-fantastischen Stil mit Gesichtspartien gestaltet. Der Künstler beschrieb sein stark psychedelisches Werk wie folgt: „Es war ein Gesicht nach Innen verlegt – ganz lustig, riesig, popig.“ Oberhuber hätte gerne mehr Technik – wie sich bewegende Wände – eingesetzt, allerdings standen dafür keine finanziellen Mittel mehr zur Verfügung.


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Jorrit Tornquist, Farbige Struktur (Modell), 1967

Holz, Farbe, 43 x 43 x 43,5 cm, Courtesy Neue Galerie am Universalmuseum Joanneum, Graz
Foto: Markus Krottendorfer
 
Als Mitglied des 1959 gegründeten Forum Stadtpark war Jorrit Tornquist (*1938 Graz, lebt in Bergamo) eine prägende Figur in der kulturellen Aufbruchsbewegung im Graz der 1960er-Jahre. Er besch.ftigt sich mit dem Verh.ltnis von Farbe zur Fläche und zum Raum in der Malerei sowie in der Architektur. Dem Künstler bot die Teilnahme an trigon 67 die Möglichkeit, ein in den Jahren zuvor entwickeltes wissenschaftlich- mathematisches Modell im größeren Format umzusetzen. Dieses basiert auf der Annahme, dass das menschliche Empfinden in diverse Einzelteile zerlegbar sei. Zur Darstellung zog der Künstler ein Rasterschema heran. In der Ausstellung zeigte er eine aus verschiedenfarbigen Rohren bestehende Gitterstruktur im Format 2,5 x 2,5 x 2,5 Meter. Durch die zeitlich wechselnde Beleuchtung dieser Struktur mit den Farben, in denen sie bemalt war, sollten einzelne Teile davon „unsichtbar“ werden. Die Dimensionen von Raum und Zeit wurden so vom Künstler erfahrbar gemacht. Im Katalog legte Tornquist seine Überlegungen in Form einer Farbtafel und mittels Begriffsbestimmungen (Orientierung, Farbe, Bewegung, Proportion) wie möglichen Anwendungen (Mittel, Farbe, Proportion) ausführlich dar.


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Marc Adrian, H3, 1967

Öl auf Holz, unter Riffelglas (Hinterglasmontage), 61,5 x 61,5 cm
Courtesy Neue Galerie am Universalmuseum Joanneum, Graz
Foto: Markus Krottendorfer

Der Künstler Marc Adrian (*1930 – 2008 Wien) zählt zur ersten Generation des österreichischen Avantgardefilms. Er weitete das Feld der Bildhauerei und Malerei auf das Medium Film aus und befasste sich insbesondere mit optischen Phänomenen. 1967 bespielte er die Apsis im Künstlerhaus, die er komplett verdunkelte und mit unregelmäßig ausgelegten Polsterungen auf Boden und Wänden versah. Zur weiteren Erzeugung eines „Raumkunstwerks“ (Adrian) wurden zudem auf rotierende Spiegel erotische Filmszenen projiziert. Von einem Tonband war ein vom Künstler verlesener Text mit Anweisungen an die Besucher_innen zu hören: „[…] Gehen Sie vier Schritte weit vor und neigen Sie den Oberkörper nach links. Schließen Sie schnell und präzis Ihr linkes Auge und haben Sie keine Hemmungen. Erinnern Sie sich an Ihr linkes Bein und zählen Sie im Geist vier Mal etwas Obszönes. Verhalten Sie sich ganz ruhig und denken sie dabei etwas. Befolgen Sie schnell und präzis was Sie hier hören. Haben Sie keine Hemmungen. Beschreiben Sie den hier arrangierten optischen Sachverhalt als Resultat der Multiplikation vier mal vier. Marc Adrians Stimme spricht zu Ihrem Oberkörper. Neigen Sie sich leicht vor […].“

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Ferry Radax, Trigon Graz, 1967

Film, 16mm, S/W, Ton, transferiert auf Video, 157 Min., Bild: Karl Spindler; Ton: Adolf Pascher, Willy Buchmuüller; Musik: Erich Kleinschuster + Sextett; Aufnahmeleitung: Viktor Matouschek; Gestaltung: Ferry Radax

Das unter der Leitung des steirischen Landeshauptmann-Stellvertreters Hanns Koren stehende Kulturamt beauftragte den avantgardistischen Filmemacher Ferry Radax (*1932 Wien, lebt bei Krems) eine Dokumentation über die gesamte Laufzeit von trigon 67 zu erstellen. Als investigativer Reporter mit provokanten Fragen näherte sich Radax humorvoll den Architekten Domenig und Huth sowie den Künstlern der Ausstellung. Zur Auflockerung wurde auch auf die Streitigkeiten zwischen dem Ausstellungsleiter Wilfried Skreiner und dem Künstler Roland Goeschl, in denen es um die Finanzierung seiner monumentalen Sackgasse ging, mehrmals Bezug genommen. Ferry Radax gab seiner Dokumentation eine individuelle, künstlerische Note. Als (kunst-)historische Quelle zu trigon 67 kann die Bedeutung seines Films nicht überschätzt werden.


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Presseschau trigon 67

22.11.2017

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