photo: Markus Krottendorfer

Die Künstlerin Maruša Sagadin über die Postmoderne als Raum für Uneindeutigkeit, die Unterschiede zwischen Haltung und Behauptung, Fragen der Selbstermächtigung und Karyatiden, denen das Herz mit dem Arsch verschmolzen ist.

In deinen Skulpturen setzt du dich nicht zuletzt mit Fragen des Stadtraums auseinander, ebenso mit einem bestimmten Architekturvokabular. Immer wieder tauchen dabei Referenzen an postmoderne Architektur und Design auf. Was fasziniert dich gerade daran bzw. was ist in Bezug auf die Fragen, die dich in deiner Kunst interessieren, in dieser Epoche und bei diesem Vokabular zu holen?

Ich mag die nordamerikanische Architektur und die Stadt Los Angeles. Los Angeles assoziiert man sofort mit der Postmoderne, einem Bruch mit der Logik der Moderne, und der europäischen Städtestruktur. In meinem Architekturstudium, das ich vor dem Studium der Bildhauerei abgeschlossen habe, wurden wir mit der Wahrhaftigkeit der Moderne regelrecht malträtiert, die Postmoderne wurde dagegen als minderwertig abgetan. Aber ich liebe die eigene Logik, den Kitsch, die Übertreibung, den fake, den Humor der Postmoderne. Sie lässt Raum für Unbedeutsamkeit und Uneindeutigkeit. Und so kann die Frage nach alternativen Identitäten aufkommen.

Welche Rolle spielt dabei für dich das Hin und Her zwischen dem „Angewandten“ und dem „Freien“, zwischen Design und Architektur auf der einen Seite und bildender Kunst im engeren Sinne auf der anderen? Geht’s dir auch da um eine gewisse Uneindeutigkeit?

Es geht nicht so sehr darum, ob man es mit Design oder Architektur oder bildender Kunst zu tun hat. Ich bin in der bildenden Kunst tätig, deswegen handelt es sich bei dem, was ich mache, um Skulpturen. Ich weiß nicht ob es der Einfachheit halber gerne immer als „Etwas“ gesehen wird: eine Bar, ein Sessel, ein Schuh. Dazu verleiten mit Sicherheit auch meine Titel. Wenn man etwas darin sieht, ist es leichter zu verstehen. Mir aber geht es vielmehr um die Frage, was diese Objekte vorgeben, was sie vermeintlich ermöglichen, aber nicht erfüllen können.

Sie vermitteln etwas Angewandtes, obwohl sie zum tatsächlichen Gebrauch zu schwer sind und auch zu groß gefertigt sind. Sie sind untragbar und unerträglich. Oder aber sie scheinen fragil zu sein, übereinandergestapelt, wackelig und prekär, obwohl sie in Wirklichkeit sehr schwer sind und nicht leicht umzustoßen, da sie ein stabiles Standbein haben. Es ist also ein ständiges Hin und Her zwischen Haltung und Behauptung. Die Intention liegt im Ausbruch aus einer Art Gemütlichkeit, wobei sich das auch als eine Kampfansage lesen lässt, wie sie für einen Bruch notwendig ist.

„Ein Hin und Her zwischen Haltung und Behauptung“, sagst du. Das finde ich sehr interessant, in dem Sinne, dass eine Haltung ja immer auch eine gewisse Behauptung ist – und sich umgekehrt ohne Haltung wahrscheinlich auch keine halbwegs tragbare Behauptung aufstellen lässt. Denn sonst hätte man es buchstäblich mit einer „haltlosen Behauptung“ zu tun. Um jetzt einmal allgemein zu fragen: Wie ließe sich denn die Haltung beschreiben, aus der Heraus du deine Skulpturen machst? Du sagst, es geht dir um den Ausbruch aus einer Art Gemütlichkeit, um eine Kampfansage, um einen Bruch. Das ist ja schon eher ein konfrontatives Vokabular, oder? Gegen was oder wen ist das gerichtet? Und was möchtest du dagegensetzen?

Ich sehe Haltung und Behauptung als Gegensätze im Sinne von: ich stehe da, gerade, dick aufgetragen, farbig, zu schwer, zu groß um mit dieser wortwörtlichen Haltung ein Bild abzugeben, das verstörend ist, das aneckt. Eine Behauptung erinnert zu sehr an etwas absolut Wahrhaftiges, als gäbe es nichts Anderes als das, was ich in dem Moment behaupte. Eine Behauptung ist wie ein Schlagabtausch in einer politischen Diskussion, in der man sich gegenseitig schon längst nicht mehr zuhört. Weil ich in meiner Arbeit aber stark von einer politischen Haltung ausgehe, habe ich wahrscheinlich mit den konfrontativen Begriffen versucht die Kurve zu kratzen, um meine Arbeit nicht ausschließlich in die Ecke des Designs, und des Humorvollen zu stecken.

Damit die Kampfansage sich nicht in einer erhobenen Faust oder einem Zeigefinger erschöpft, impliziert die Haltung meiner Objekte etwas Begehrenswertes (hoffentlich!), einen Glanz, der für jede und jeden zugänglich ist, eine Spiegelfläche, die an Glasfassaden oder hochpolierte Motorhauben erinnert, aber nur lackiertes Fichtenholz ist. Eine Selbstermächtigung mit Mitteln, die jedem und jeder zugänglich sind.

Um auf die anfangs beschriebene Widersprüchlichkeit zwischen Macht und Ermächtigung zu kommen: Es sind Apparaturen – Lipstick, High Heels –, die einen wiederum handlungsunfähig machen und von einem Entertainment-Gedanken zur Tortur werden. Ich selbst bin 185 cm - wenn ich diese Kothurnen-artigen Holzklötze an den Füßen trage, bin ich über 200 cm groß. Und das ist kein Spaß mehr.

Wenn du von „Lipstick“ und „High Heels“ sprichst, andererseits von „hochpolierten Motorhauben“ – welche Rolle spielen für deine Arbeit eigentlich Gender-Aspekte, bzw. eine bestimmte Genderkonnotation von Dingen und Formen? Und welche Rolle nehmen hier die von dir ebenfalls angesprochenen „begehrenswerten Objekte“ ein?

Es geht darum die vermeintlichen festgeschriebenen Assoziationen umzudrehen; mit Größe, Glanz und Glamour. Was ist an der Farbe Pink feministisch und eben nicht feminin? Was ist an Violett queer und nicht spirituell? Ein blauer Lippenstift bekommt schnell den Touch des Öffentlichen, des öffentlichen Raums, und ist somit kein privates Accessoire mehr. Die Dinge entziehen sich dem Privaten und werden mit ihren spiegelnden Oberflächen auf der Straße geparkt. Anders herum wird genau dieses Zur-Schau-Stellen in einer Skulptur wie Das Herz in der Hose (2018) wieder zur Last: Die Arbeit ist eine Art Karyatide, der vor zu viel Selbstinszenierung und Selbstrepräsentation das Herz mit dem Arsch verschmolzen ist.

Müller Dominikus – 06/16/2018