Herbert Lipsky analysiert den steirischen Kulturbetrieb und seine Kunstszene zur Zeit des Nationalsozialismus. Der Kunsthistoriker und Arzt beschreibt, wie Bildungseinrichtungen, kulturelle Vereine und ihre Mitglieder sich der NS-Bewegung anschlossen und umreißt ihre Ausstellungstätigkeit. Dieser Beitrag ist ein Auszug seines Buches „Die Kunst einer dunklen Zeit. Die bildenden Kunst in der Steiermark zur Zeit des Nationalsozialismus".

Unmittelbar nach der Machtergreifung Hitlers am 30. Januar 1933 in Deutschland wurde der gesamte Kulturbereich von den Nationalsozialisten neu organisiert und mit einem Kontrollapparat überzogen. Am 13. März 1933 wurde das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda errichtet, das „für alle Aufgaben der geistigen Einwirkung auf die Nation, der Werbung für den Staat, Kultur und Wirtschaft, der Unterrichtung der in- und ausländischen Öffentlichkeit über sie und der Verwaltung aller diesem Zweck dienenden Einrichtungen“ zuständig war. Zum zuständigen Minister wurde Joseph Goebbels ernannt. Man gründete eine Reichskulturkammer und sieben Einzelkammern. Diese erfassten sämtliche kulturelle Bereiche: Musik, Theater, Schrifttum, Presse, Rundfunk, Film und auch die bildenden Künste (Reichskammer der bildenden Künste, RKdbK). Eine Berufsausübung war nur noch den Mitgliedern dieser Kammern gestattet, Voraussetzung für eine Aufnahme war u. a. die deutsche Staatsangehörigkeit und eine arische Abstammung notwendig. Die Reichskulturkammergesetze wurden in Österreich schon mit 11. Juni 1938 eingeführt.

Bereits im 25-Punkte-Programm der NSDAP vom Jahr 1920 erfolgte eine Stellungnahme zur Kunst. Unter anderem heißt es dort unter Punkt 23: „Wir fordern den gesetzlichen Kampf gegen eine Kunst und Literaturrichtung, die einen zersetzenden Einfluss auf unser Volksleben ausübt und die Schließung von Veranstaltungen, die gegen vorstehende Forderung verstoßen.“ Hitler meinte: „Die Kunst muss, um ein solches Ziel zu erreichen, auch wirklich Verkünderin des Erhabenen und Schönen und damit Trägerin des Natürlichen und Gesunden sein.“ Ein besonderes Anliegen ist ihm, dass „der Künstler nicht nur für den Künstler schafft, sondern er schafft wie alle anderen für das Volk. Und wir werden Sorge tragen, dass das Volk von jetzt ab wieder zum Richter über seine Kunst wird.“

Für die Künstler_innen hatte das Konsequenzen. Kunst und Künstler_innen waren nicht mehr frei, sie hatten der Volksgemeinschaft zu dienen. Die Malweise hatte naturalistisch und wirklichkeitsgetreu zu sein. Meisterliches Handwerk bedeutete für die Darstellung Genauigkeit und nicht künstlerischen Wert. Die Farben sollten denen in der Natur möglichst genau entsprechen. Die geforderte gesunde, schlichte Natürlichkeit gab Anweisungen über die Gestaltung eines Sujets. Problematische Themen waren nicht erwünscht. Jedermann sollte die Bilder verstehen können. Die Rassentheorie verlangte die vorbildhafte Abbildung von nordischen, rassereinen Menschen. Bedingt durch den neuen Sportkult und den Rückblick auf die Antike wurde die Darstellung von athletischen Menschen beiderlei Geschlechts gewünscht. Die Künstler_innen mussten so arbeiten, dass ihre Werke nicht nur den Kunstkenner_innen sondern auch dem Volk gefiel. Später mit Kriegseintritt wurde auch Kriegsmalerei verlangt.

Kulturelle Vereine

1927 gründete Alfred Rosenberg, damals Hauptschriftleiter (Chefredakteur) des Völkischen Beobachters, die Nationalsozialistische Gesellschaft für Deutsche Kultur, eine rechtsextremistische Kulturvereinigung, die von der Absicht getragen war, die Wesensverwandtschaft völkischen Ressentiments und nationalsozialistischer Weltanschauung zu betonen. Im Jahr 1931 wurde auch in Wien ein Kampfbund für deutsche Kultur gegründet. Das Juliabkommen 1936 sicherte Österreich zwar seine Selbstständigkeit und hob die 1000-Mark-Sperre auf, war aber so etwas wie ein Dammbruch. Die nationalsozialistische Flut brach, immer stärker anschwellend, über Österreich herein. Dem Handbuch völkischen Lebens entnommen: „Über tausend Verbände, Bünde, Vereine, Gesellschaften, Klubs und Körperschaften bestehen heute in Österreich, die alle dem deutschvölkischen Gedanken nach irgendeiner Richtung hin dienen wollen, sei es hinsichtlich der Anschlussbestrebungen, der körperlichen Ertüchtigung, der Verbreitung rassekundlicher Kenntnisse, der Volksbildung, der Schulerhaltung, der Sprachreinigung, der Abwehr klerikaler und jüdischer Einflüsse, der Gläubigkeit, der Kunst, der Geselligkeit und Fröhlichkeit.“ Einige dieser Vereine seien nachfolgend angeführt.

Der Deutsche Schulverein Südmark

Der Deutsche Schulverein (DSCHV) wurde am 13. Mai 1880 als Folge der österreichisch-ungarischen Sprachverordnungen gegründet. Dieser Verein unterstützte deutsche Sprachinseln die nach Auflösung der Monarchie zustand gekommen waren mit Büchern, Lehrmitteln und Lehrer_innen. Er fand Zuspruch aus allen politischen Lagern, wobei aber das deutschnationale Lager eine wichtige Rolle spielte. In der Steiermark bildete der Schulverein Südmark eine weit verzweigte Organisation, die sich vorbehaltlos für den Anschluss und später für die NSDAP einsetzte. Das Presseorgan der Südmark wurde in Graz gedruckt und hieß bis 1923 Die Südmark, Alpenländische Monatsschrift für deutsches Wesen und Wirken. Unter der Leitung von Josef Papesch wurde es 1924 in Alpenländische Monatshefte für das Deutsche Haus umgetauft. In den Satzungen des DSVS ist zu lesen, dass die Vereinsfarben Schwarz-Rot-Gold seien. Im § 2 Absatz 3 steht, dass der Schulverein es als seine Aufgabe betrachtet, jegliche deutschfeindliche, auch jüdische, Einflüsse abzuwehren. Von den Personen die im steirischen Kulturbetrieb tätig waren, waren folgende Mitglieder dieses Vereins: Robert Baravalle, Ernst Dombrowski, Karl Heinz Dworcak, Viktor Geramb, Wilhelm Kadletz, Hans Kloepfer, Rudolf List, Josef Papesch, Friedrich Pock, Walter Schneefuß, Walter Semetkowski. Sie alle, mit Ausnahme Gerambs, waren entweder bereits Nationalsozialisten oder traten der Partei nach 1938 bei.

Die Grazer Urania

Nach dem Ersten Weltkrieg bestand in Österreich ein allgemeines Bedürfnis nach Bildung. Die Gründung der Grazer Urania versuchte, den vielfältigen Bildungswünschen nachzukommen. Unter der Patronanz des steirischen Landeshauptmannes Anton Rintelen und des Grazer Bürgermeisters Vinzenz Muchitsch, die später Ehrenpräsidenten der Urania wurden, sowie auf Betreiben Emil Kieslingers, des Mathematikers und Landesschulinspektors Karl Rosenbergs, des Germanisten Karl Heinz Dworczaks sowie des Grazer Stadtrats Anton Afritsch, fand am 14. Februar 1919 die konstituierende Sitzung des Vereins Grazer Urania statt. Anfang der 30er-Jahre kam es im Urania-Präsidium zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen dem christlichsozialen und dem deutschnationalen Flügel, aus denen der Letztere als Sieger hervorging. 1934 drückte sich Fritz Gernot klar aus: „Was wir wollen! Durch keine staatlichen Grenzen eingeengt, sei unser umfassendes kulturelles Denken und Empfinden deutsch!“

Die Urania wurde zu einer von Deutschland unterstützten Propagandaorganisation in der Ausstellungen und Vorträge deutscher nationalsozialistischer Personen stattfanden. Die Anweisungen aus München lauteten: Schaffung einer Presse-Korrespondenz in Ungarn und in der Schweiz, die „Lügenabwehr treiben und ausländische Pressestimmen gegen Österreich sammeln“ sollte; die Anhänger sollten über positive Leistungen im Reich informiert werden; Veranstaltung von Vorträgen, Lesungen, Konzerten mit reichsdeutschen Künstler_innen und Gelehrten in Österreich durch private Agenturen, nationale Kreise und Vereine wie die Urania, Veranstaltungen von deutsch-österreichischen Künstler_innen und Wissenschaftler_innen im Reich; ebenso Zusammenkünfte von Offizieren der Reichswehr und der ehemaligen k. u. k. Armee. Vom 17. September bis 10. Oktober 1937 fand in Graz die Ausstellung Deutsche Baukunst, Deutsche Plastik am Reichssportfeld statt, die von der Urania und der Zentralvereinigung der Architekten, Landesverband Steiermark veranstaltet wurde

Die Brücke

Eine Reihe von Männern, die zum Teil auch im DSVS und/oder in der Urania tätig waren, schlossen sich im Jänner 1937 zu einem Verein zusammen, der angeblich die Förderung aller Kunstzweige zum Zweck hatte. Die Brücke war nichts anderes als eine Vereinigung von nationalsozialistisch Gesinnten bzw. illegalen Nationalsozialisten, die sich für den kulturellen Bereich zuständig fühlten oder bereits im Kulturbereich arbeiteten, darunter Wissenschaftler, Künstler, Lehrer, Architekten und Kunstkritiker. Ihre politischen Karrieren nach der Machtübernahme zeigen das deutlich.

Das Volkspolitische Referat

Schuschnigg wollte durch die Gründung des Volkspolitischen Referats, Nationalsozialisten für die Vaterländische Front gewinnen. In der Steiermark ernannte er den späteren Gauhauptmann Dadieu zum Volkspolitischen Referenten. Das Gegenteil war der Fall: Viele Vaterländische Front-Mitglieder liefen zu den Nationalsozialisten über. Als Folge des Berchtesgadener Abkommens 1938 war es möglich sich durch die Unterzeichnung von Listen im Rahmen des Volkspolitischen Referats zum Nationalsozialismus zu bekennen. Diese Listen zirkulierten noch vor dem Einmarsch in öffentlichen Ämtern und auch in künstlerischen Kreisen. In allen Kunstvereinen unterschrieben die meisten Künstler_innen diese Listen.

Kunstvereine

Der Steiermärkische Kunstverein

Der Steiermärkische Kunstverein war ein Verein zur Förderung der Kunst und des Kunstverständnisses. Die Kunstfreund_innen, Literat_innen und bildenden Künstler_innen, die diesen Verein über Jahrzehnte hin trugen, betrachteten die Förderung von Kunst und Bildung gleichermaßen als ihre Aufgabe. Bedeutende Persönlichkeiten gaben dem Verein sein Gepräge. Der Verein veranstaltete Ausstellungen von heimischen Künstler_innen und Gästen. Einige Künstler_innen entwickelten sich aber nicht im Sinne der aufkommenden Moderne, sie blieben traditionellen Bildfindungen treu. Die Aufgeschlossenheit des Kunstvereins gegenüber der Moderne zeigt sich auch in der Förderung des 1919 gegründeten Werkbunds Freiland, dem immerhin die Möglichkeit gegeben wurde, seine Arbeiten im Rahmen der Kunstvereinsausstellungen zu zeigen. Im Jahr 1937 wurde der Steiermärkische Kunstverein neu geordnet. Man wollte einmal im Jahr eine Ausstellung seiner Mitglieder und einmal eine Retrospektive oder eine Ausstellung von Gästen veranstalten; weiters wollte man, um das gesamte Ausstellungswesen zu erneuern, eine Dachorganisation aller Künstlervereine gründen und sich auf die Aufgaben eines Bildungs- und Kunstvereins besinnen, doch das gelang nicht mehr. Ab diesem Jahr wandte man sich dem Kunstgeschehen im Deutschen Reich zu, über das in den Nachrichten des Steiermärkischen Kunstvereins publiziert wurde: Es wurde über die Große Deutsche Kunstausstellung und die nationalsozialistische Kunsttheorie berichtet.

Am 11. März 1938 unterschrieben viele Künstler_innen des Kunstvereins jenes schon erwähnte Dokument – das ihnen schon vor dem Einmarsch vorgelegt worden sein muss –, in dem sie sich verpflichteten, sich dem Volkspolitischen Referenten der VF als Nationalsozialisten zur Verfügung zu stellen. Das nützte alles nichts, denn bereits am 28. März 1938 beauftragte der Stillhaltekommissar die Löschung des Vereins und die Einweisung des Vermögens von 1011,02 Schilling an die Genossenschaft bildender Künstler Steiermarks.

Paul Schmidtbauer bemühte sich nach dem Krieg um die Reaktivierung des Vereins. Zum Präsidenten wurde abermals Richard Mell gewählt, der dem Verein bis zu seinem Tod 1950 vorstand. Etliche alte Mitglieder wie Bresslern-Roth, Fellinger, Fossel u. a. waren wieder beigetreten, und auch die Ausstellungstätigkeit wurde wieder aufgenommen. Für kurze Zeit übernahm dann Hans Schipper die Führung, doch in der Zwischenzeit hatte Peter Paul Oberhuber, der damalige Leiter der Kunstgewerbeschule, eine eigene Sektion Werkbund innerhalb des Vereins gegründet, die nur die Künstler_innen erfassen und sie von den unterstützenden Mitgliedern trennen sollte. Oberhuber wurde 1954 zum Präsidenten gewählt und initiierte die Umbenennung zum Steiermärkischen Kunstverein Werkbund. Von 1960 bis 1986 folgte Rudolf Szyszkowitz als Präsident.

Genossenschaft bildender Künstler Steiermark

Die Gründung der Vereinigung Bildender Künstler Steiermark erfolgte 1898. Sie verstand sich von Beginn an als Berufs- und Standesvertretung steirischer Künstler_innen, und dementsprechend waren auch nur ausübende Künstler_innen als Mitglieder vorgesehen. Schon von Beginn an war der Mangel an geeigneten Ausstellungsräumen ein Problem gewesen, bis man in dem Museumsneubau in der Neutorgasse unterkommen konnte. 1919 erfolgte die Umbenennung in Genossenschaft bildender Künstler Steiermarks. Der Schwerpunkt des künstlerischen Ausdrucks der Genossenschaft lag – wie schon beim Vorgängerverein – weiterhin auf der Landschaftsmalerei, wobei man sich ebenso am österreichischen Stimmungsexpressionismus orientierte.

Der Wunsch nach der Errichtung eines Künstlerhauses blieb ein großes Anliegen und war besonders mit der Person von Leo Scheu verbunden, der ab 1924 an der Spitze der Genossenschaft stand, bis sich unter seiner Führung 1925 der Künstlerbund abspaltete, dem sich ein Drittel der Mitglieder anschloss. Trotz aller Gegensätze und Divergenzen kam es unter den Kunstvereinen zu einer grundsätzlichen Verständigung, als 1927 die Ständige Delegation der Vereine bildender Künstler Steiermarks gegründet wurde, die alle steirischen Vereine umfasste und die gemeinsamen Interessen der Künstlerschaft und den Bau eines Künstlerhauses zum Ziel hatte. Der Sitz der Delegation befand sich in Graz, in der Landhausgasse 7. Die Genossenschaft veranstaltete zweimal jährlich Vereinsausstellungen, bei denen keinerlei Bestrebungen, einer moderneren Malweise näher zu kommen, festzustellen sind. Die Genossenschaft war spätestens ab 1938, vielleicht auch schon früher, Abonnent der Zeitschrift Kunst im Dritten Reich, und die meisten Mitglieder unterschrieben sofort die auch ihnen vorgelegte Liste des Volkspolitischen Referenten. Der Genossenschaft gelang es 1938 noch, eine Herbst- und Weihnachtsausstellung zu veranstalten. Das Vereinsvermögen betrug 7943 Schilling. Am 26. Juni 1939 verfügte der Stillhaltekommissar, dass die Genossenschaft gelöscht sei, ihr Vermögen in die Landeshauptmannschaft Graz, Abteilung II, eingewiesen werde und die Vermögenswerte einem später zu gründenden Kulturverband zuzuführen seien.

Die Sezession

An einem Abend im Herbst 1923 trafen sich im Atelier von Wilhelm Thöny auf dem Grieskai die Maler Alfred Graf Wickenburg, Erich Hönig, Igo Klemencic, Axel Leskoschek, Paul Schmidtbauer, Fritz Silberbauer und Hanns Wagula zu einer Besprechung, in deren Verlauf die Gründung der Sezession erfolgte. Thöny wurde zum Präsidenten, Silberbauer zum Vizepräsidenten gewählt und die ersten Richtlinien für die Arbeit und die künstlerische Haltung des neuen Vereins wurden festgelegt; man verblieb aber bis 1927 innerhalb des Steiermärkischen Kunstvereins. Schon die erste Ausstellung zeigte, dass die Arbeiten von Presse und Publikum kontroversiell beurteilt wurden. 1925 wurde die Sezession Graz eingeladen, an der 81. Ausstellung der Wiener Secession teilzunehmen. In den nächsten Jahren wurde die Sezession eingeladen auch an Ausstellungen im Ausland teilzunehmen.

Die Mitgliederliste aus dem Jahr 1926 zeigt deutlich, dass die unterstützenden Mitglieder aus allen Schichten des Bürgertums stammten, auch mehrere jüdische Mitbürger waren dabei, z. B. der Nobelpreisträger Univ.-Prof. Dr. Loewi. 1927 fand eine Architekturausstellung statt, an der Architekt_innen aus Deutschland, den Niederlanden, Tschechien und Österreich teilnahmen. Neben den Sezessionisten Eugen Szekely, Rudolf Hofer, Franz Heigl und Hans Grubbauer waren noch andere Grazer Architekten wie Fritz Hönel, Adolf Schmidsfelden und Fritz Haas dabei. 1928 beteiligte sich die Sezession zusammen mit den anderen Kunstvereinen an der Steirischen Jubiläums Kunstschau in Graz. Die Sezession positionierte sich mit dieser und auch mit den weiteren Ausstellungen, insgesamt sollten es 14 werden, als eine Künstlervereinigung mit einer, international gesehen, gemäßigt modernen Ausrichtung.

In der Sezession waren die verschiedensten politischen Lager vertreten, das christlichsoziale, das sozialistische und das nationalsozialistische. Major Scheiger, der Sekretär, war Legitimist, man kann fast annehmen, dass ihm Wickenburg politisch nahe stand. Dem Protokoll der 109. Sitzung der Sezession am 14. Dezember 1933 ist zu entnehmen, dass es zu einer heftigen politischen Diskussion über einen geplanten Vortrag kam. Es wurde festgestellt, dass es immer Mitglieder verschiedener politischer Richtungen gegeben habe, ohne dass die Kameradschaft gestört geworden wäre. Heute sei das Zusammenstehen wichtiger als je zuvor. Die künstlerische Objektivität dürfe durch die gegenwärtige Scheidung der Geister nicht angetastet werden. Darauf erfolgte ein einstimmiger Beschluss, dass „Strenge in Kunstfragen, Objektivität in allen anderen“ der Hauptgrundsatz der Sezession sei.

1933 äußerte Thöny seine Absicht nicht mehr von Frankreich nach Graz zurückzukehren, worauf 1934 Alfred Wickenburg das Amt übernahm. Thöny wurde zum Ehrenpräsidenten auf Lebenszeit ernannt. 1935 wurde zusammen mit dem Kunstgewerbeverein eine Mestrovic-Ausstellung organisiert. 1936 wurde Rudolf Szyszkowitz in die Sezession aufgenommen, und es ist zu vermuten, dass Heinz Reichenfelser ebenfalls zu jener Zeit beitrat, wobei seine Aufnahme der eines trojanischen Pferdes gleichkommt, denn er war illegaler Nationalsozialist und betätigte sich seit Jahren aktiv politisch. Herbert Eichholzer hatte Rudolf Hofer als Vizepräsidenten abgelöst, somit standen zwei Sozialisten an der Spitze eines nationalsozialistisch unterwanderten Vereins. Die gemeinsam organisierten Feste müssen immer wieder geholfen haben, politische Gegensätze zu überbrücken, jedenfalls spielten sie im Grazer Gesellschaftsleben eine wichtige Rolle.

Bereits am 13. März 1938, sofort nach dem Einmarsch, wurden sämtliche Akten und Geschäftsbücher beschlagnahmt, die Fonds gesperrt, das Klublokal im Paradeishof wurde durchsucht und verwüstet. Scheiger, der auch die Geschäfte der Ständigen Delegation bildender Künstler Steiermarks führte, musste das Vermögen dieses Vereins, welches als Fonds für ein Künstlerhaus vorgesehen war, in der Höhe von 18.000 Schilling, der Vereinspolizei abgeben. Zum kommissarischen Leiter der Sezession wurde Reichenfelser ernannt, der jede Aktivität der Vereinigung einstellte. Noch im Juni musste Scheiger das Vermögen der Sezession an Reichenfelser übergeben, es waren vier Sparbücher verschiedener Institute, insgesamt rund 3.558,14 Schilling.

Eine Reihe von Künstler_innen der Sezession unterschrieb die Liste des Volkspolitischen Referenten, aber Wickenburg, Hönig, Weber, Ritter, Leskoschek, Thöny, Szyszkowitz, Fronius, Pointner, Zeides und Aduatz unterschrieben sie nicht. Damit erwies sie sich als die einzige Künstlervereinigung, die dem Bazillus des Nationalsozialismus und dem Druck von außen Widerstand leistete. Die Sezession wurde bereits 1945 neu gegründet, und zunächst wurde Oberhuber zum Präsidenten gewählt. Im Juli 1946 kam es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Oberhuber und einer Gruppe um Pointner der seinen Rücktritt verlangte, weil Oberhuber Mitglied der NSDAP gewesen sei. Seine Nachfolger wurden zunächst Rogler und dann Wickenburg.

Die Grazer Kunstgewerbeschule am Ortweinplatz

Eine ganz wesentliche Rolle im steirischen Kunstleben spielte die Grazer Kunstgewerbeschule. An ihr wirkten nicht nur prominente Künstler als Lehrer, sie brachte auch eine Reihe von Schüler hervor, die später Bedeutung erlangen sollten. Auch diese Schule wurde im Nationalsozialismus zu Propagandazwecken umfunktioniert und spielte als „Meisterschule des Deutschen Handwerks“ eine wichtige Rolle. Die Lehrtätigkeit an der Meisterschule bedeutete für die Künstler eine fixe Anstellung und ein sicheres Einkommen. Anstelle von Rudolf Hofer, der nach Kriegsende in den Krankenstand ging, wurde Peter Richard Oberhuber zum provisorischen Leiter der Meisterschule für angewandte Kunst ernannt. In dieser Position und mit seinen politischen Beziehungen war er für die personelle Besetzung der Schule in der Nachkriegszeit ausschlaggebend. Er war wohl der Auffassung, dass eine völlige politische „Säuberung“ von fachlicher Seite nicht opportun gewesen wäre, deswegen konnten mehrere belastete Lehrer an der Schule bleiben.

Josef Papesch

Josef Papesch wurde am 29. Juli 1893 in Marburg geboren und war eine zentrale Figur des steirischen Kulturlebens. Seine Person soll Beispiel sein für die Mentalität vieler, die im Kulturbetrieb tätig waren. Seine Kulturpolitik versuchte steirische Bodenständigkeit mit NS-Ideologie zu verbinden. Er war deutsch-national gesinnt und war bald von der Nazi-Ideologie angezogen und wurde früh Parteimitglied. In der Verbotszeit kämpfte er für den Nationalsozialismus. Kein Wunder, dass er nach dem Einmarsch eine Reihe von wichtigen Funktionen bekleidete. Nach dem Krieg führte er mit Stolz seine Leistungen als Kulturpolitiker auf, die ohne Zweifel beachtlich waren: Gründung des Landestheaters, Errichtung zahlreicher Schülerheime, bessere Ausstattung der Mittelschulen, Gründung der Neuen Galerie, Herausgabe der Schriftreihe Joanneum, Herausgabe der Werkblätter für Kultur und Gemeinschaftspflege, Organisation der Kulturpflege auf dem Lande, Ankauf des Palais Herberstein in der Sackstraße und des Schlosses Eggenberg, Betreuung der Grenz- und Einschichtlehrer, Begabtenförderung für 1600 Buben und Mädchen, erfolgreiche Leitung der Steirischen Verlagsanstalten und Einführung von Kulturpflegerinnen (junge, geschulte Lehrerinnen, die im Land unterwegs waren).

Papesch verschaffte sich aufgrund seiner Stellung keine persönlichen Vorteile, und man bestätigte ihm durchwegs ein menschliches Verhalten. In seiner Schrift Abwehr und Erinnerung aus dem Jahr 1948 bezeichnet er den Schrecken des Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg als „nationalsozialistisches Experiment“, dessen Fehler er schärfer und dessen Gefahren er deutlicher gesehen habe als alle, die heute von außen darüber reden. Weder Gefangenschaft noch Nachkriegsfolgen haben ihn dazu veranlasst sich von seiner Ideologie abzuwenden. Die Engländer hielten Papesch nach dem Krieg 33 Monate im Lager von Wolfsberg gefangen.

Ausstellungen

Das neue Regime hatte es eilig und veranstaltete noch im Jahr 1938 drei Veranstaltungen. Sie nannten sich Kunst und Handwerk, Herbstausstellung und Weihnachtsaustellung. Diese wurden noch von den Kunstvereinen veranstaltet. 1939 folgten zwei Propagandaausstellungen die von Papesch und Reichenfelser organisiert worden waren, Steiermark, Land und Leute und Der Freiheitskampf der Steiermark.

Die Kameradschaft

Der Gaupropagandaleiter Gustav Fischer stellte im März 1939 beim Gaubeauftragten der Stiko (Stillhaltekommission für Vereine, Organisationen und Verbände), Max Hruby, den Antrag auf die Genehmigung eines neuen Vereins, der Kameradschaft steirischer Künstler. Diesem Antrag fügte er eine Denkschrift mit folgendem Inhalt bei: Der neue Verein solle die Zersplitterung der Kunstvereine beenden und verfolge das Ziel, den Bau eines Künstlerhauses in Angriff zu nehmen.

Die Kameradschaft organisierte nun alle großen Kunstausstellungen in Graz. Daneben gab es – über das Jahr verteilt – eine Reihe anderer kultureller Veranstaltungen, waren doch in der Kameradschaft auch die anderen Künste vertreten. Im März 1942 wurde das neue Künstlerheim in der Thalia eröffnet, das von Architekt Hans Zisser gestaltet worden war. Das Künstlerheim in der Thalia dürfte mit seiner Klubatmosphäre ein von allen geschätzter Ort gewesen sein, der in geradezu vorbildlicher Weise die Durchführung kultureller Veranstaltungen ermöglichte. Die Ausstellungen fanden meist im Joanneum statt. Die Künstler der Kameradschaft beteiligten sich auch in Deutschland, Marburg und Straßburg an Ausstellungen.

Künstlerinnen und Künstler

In den erhaltenen Katalogen sind ungefähr 140 Namen genannt, die damals ausgestellt haben. Die hier erfassten Künstler_innen wurden nach mehreren Gesichtspunkten ausgewählt. Das wichtigste Kriterium war die Häufigkeit, mit der sie in den Ausstellungen vertreten waren. Des Weiteren wurde ihr politisches Mitwirken berücksichtigt, das sich für sie im Kunstleben organisatorisch und – durch die häufigere Teilnahme an Ausstellungen – auch finanziell günstig auswirkte. Bei allen Künstler_innen wurde versucht ihre institutionell Beziehung zum Regime zu erforschen, was nur teilweise gelang. Folgende Gruppen ließen sich gliedern: Bei einigen erfolgte ein früher Parteieintritt durch Überzeugung und teilweise auch die Beteiligung am illegalen Kampf, einige Künstler_innen zeigten zumindest Sympathie für die nationalsozialistische Weltanschauung, andere handelten aus reinem Opportunismus, eine andere Gruppe fühlte sich in ihrer eigenen konservativen Kunstvorstellung durch das Regime bestätigt und erblickte darin eine Chance für weitere Anerkennung, für andere war es die einzige Möglichkeit, als Künstler_in leben zu können, und einige arbeiteten mit, um nicht arische Familienmitglieder oder sich selbst zu schützen .

Der Anteil der propagandistischen Kunst in der Steiermark war – zumindest bei den Ausstellungen – nicht sehr groß, auch wenn man davon ausgehen kann, dass viele Werke vernichtet wurden bzw. sich in Privatbesitz befinden. Bei den strengen Auflagen war es kein Wunder, dass man Großteils in die unbedenkliche Gattungsmalerei wie Landschaft, Porträt und Stillleben auswich, doch dürften fast alle Künstler_innen zumindest ein sogenanntes propagandistisches Bild gestaltet haben, manche taten sich dabei hervor. Diese Werke sind zum Großteil unauffindbar, am häufigsten ließen sich noch Ansichten von Städten im Fahnenschmuck nachweisen.

Während die Moderne unterdrückt war, wurde in diesen Jahren die Tradition der steirischen Landschaftsmalerei fortgesetzt. Damianos, Köck, Mader, Pamberger, Rotky, Trenk und Wegerer schufen durchaus qualitätsvolle Werke. Silberbauers Mädchenbild 1943 ist eine Fortsetzung seiner neusachlichen Malerei aus den 1920er-Jahren. Die Neulandkünstler blieben ihrer Thematik treu, aus einer Flucht nach Ägypten wurde eben eine Rast. Wickenburg malte in dieser Zeit einige hervorragende Bilder. Ebenso blieben Bresslern-Roths und Fronius’ Arbeiten qualitativ hochwertig. Die beiden Plakatkünstler Reichenfelser und Wagula stellten sich vorbehaltlos in den Dienst der Sache und unterstützten diese mit künstlerisch hervorragenden Arbeiten.

Der Vergleich der Biographien lässt einige Gemeinsamkeiten erkennen: Das Geburtsdatum der Künstler_innen lag zwischen 1869 und 1914, im Durchschnitt etwa um 1890. Beim Anschluss waren die meisten bereits über 45 Jahre alt. Bei einigen war eine Mitgliedschaft bei deutschnationalen Vereinen gegeben. Fast alle hatten am Ersten Weltkrieg teilgenommen. Die meisten hatten in Graz einen Teil ihrer Ausbildung erhalten, viele waren als Lehrer tätig und hatten eine gesicherte Existenz. Wenn es auch wichtig ist, politisches und menschliches Verhalten zu kritisieren und – wenn notwendig – zu verurteilen, sollte man dieses Urteil nicht auf das geschaffene Kunstwerk ausdehnen. Der Ansicht des Autors nach bleibt Kunst immer Kunst. Natürlich war die damals geschaffene Kunst nicht zeitgemäß, modern oder gar avantgardistisch. Dazu waren die meisten Künstler_innen aber auch schon zu alt. Es war interessant zu beobachten, wie begehrt die Werke dieser Künstler_innen noch einige Jahrzehnte lang waren und am Kunstmarkt gute Preise erzielten. In den 1990er-Jahren verloren sie jedoch an Interesse und Wert, und die Künstler_innen gerieten in Vergessenheit.

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Johannes Wohlfart, „Soldat/Zivilist“, 1944/45, Neue Galerie im Universalmuseum Joanneum, Graz

Als Johannes Wohlfart (nach dem Krieg aus Deutschland) nach Graz zurückkehrte, hatte er in seinem Gepäck das Bild eines SA-Mannes in Uniform. Um das Bild verkaufen zu können, übermalte er den Waffenrock: Der Mann auf dem Bild trägt nun ein Hemd und einen blauen Pullover. Diese Übermalung kann als ein besonders schönes Paradigma für das Verhalten der Öffentlichkeit gegenüber den Schrecken des Nationalsozialismus gewertet werden.

Herbert Lipsky, Kunst einer dunklen Zeit. Die bildende Kunst in der Steiermark zur Zeit des Nationalsozialismus, Graz: Leykam, 2010, S. 345.

Univ.-Prof.i.R. Dr.med. Herbert Lipsky (*1936 Graz, lebt in Graz) studierte Medizin in Graz und war Facharzt für Chirurgie und Urologie. Später wurde er zum Primarius der Urologischen Abteilung am LKH Leoben. Nach seiner Pensionierung studierte er Kunstgeschichte an der Universität Graz und beschäftigt sich seitdem intensiv mit der Geschichte und Kunst der NS-Zeit und darüber hinaus in der Steiermark. Lipsky war Initiator der Ausstellungsreihe „Kunst im Spital“ und lieferte die Idee und inhaltliche Grundlage für die von Günther Holler-Schuster kuratierte Ausstellung „Kunst der Anpassung. Steirische Künstler_innen im Nationalsozialismus zwischen Tradition und Propaganda“ (Neue Galerie Graz, 2010/11), die auf Lipskys Buch „Kunst einer dunklen Zeit. Die bildende Kunst in der Steiermark zur Zeit des Nationalsozialismus“ (2010) basierte.

16.11.2019

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