Die Beobachtung von zwischenmenschlichen Beziehungen, ihren Systemen und die Verwendung von Tieren in Narrationen als Teil der Erziehung sind wiederkehrende Themen in Stuart Middletons Werk und seiner Ausstellung "Motivation and Personality" im Künstlerhaus, Halle für Kunst und Medien. Seine neueste Kurzgeschichte heißt "Ben" und dreht sich konsequenterweise um ein Schwein.

In unserem fensterlosen Badezimmer sprenkelte der Schimmel den Putz. Wenn wir in unserem vollgerammelten Schlafzimmer zu Bett gingen, sah ich ihn beunruhigend nahe an unseren Köpfen. Als hauchte ich die Sporen selbst des Nachts mit meinem Atem aus. Feuchtigkeit ließ die Wände im Erdgeschoss aufblähen wie Blasen und Lagen von Abdeckfarbe und Schrankpapier. Am schlimmsten war es in dem Zimmer das wir das Dreckloch nannten. Es war bis unter Straßenniveau in die Erde gegraben und betreten konnte man es nur durch eine klappernde Holztür im schmalen Garten hinter unserem Haus. Der Boden war mit Paletten bedeckt, um zu verhindern, dass all der Kram darin nicht im Wasser stand. Der Griff einer Spitzhacke lag herum, ein Eimer mit dem Verputzzeug meines Vaters, verkrustet mit orangenem Rost; ein zerquetschter Pappkoffer, längst weich wie Mulch und über und über voller Aufkleber von Städten in Amerika, deren Namen niemand von uns je gehört hatte. Der Koffer hatte meinem Onkel gehört, einem weitgereisten Mann. An einem Donnerstagmorgen um fünf Uhr hatte er seinen Peugeot passgenau durch ein Loch in der Leitplanke der Cat and Fiddle bugsiert. Gut 30 Meter waren es von ganz oben bis nach ganz unten. Als die Luftrettung ihn herauszog, lebte er noch; patschnass vom Tau und bleich hing er im Scheinwerferlicht wie ein Schweinswal am Ende einer Angelleine. Die Rettungskräfte hatten ihn aus seinem kleinen blauen Auto herausschneiden müssen. Seine Wirbelsäule war gebrochen. Ebenso sein Becken. Er sollte die Nacht nicht überleben. Als das Telefon klingelte war Papa gerade beim Melken. Ich stand neben Mama, die ihre Arme eng um ihre Brust geschlungen hatte und sah vom düsteren Rand hoch oben zu, wie mein Onkel langsam heraufgebracht wurde. Er hatte ein rundes Gesicht und war schon seit Kindertagen eher dicklich, auch wenn er lange nicht „so fett wie Elvis“ geworden war, wie Opa immer sagte. Ich stellte mir vor, wie die Rotorblätter des Hubschraubers sich unter seinem Gewicht durchbogen und der Pilot dagegenhalten musste. Während mein Onkel im Krankenhaus lag und innerlich verblutete, kehrten wir zur Unfallstelle zurück, um seine Sachen einzusammeln. Zum ersten Mal im Leben hatte ich seine glänzende Glatze gesehen. Nun suchten Opa, Mama und ich eher halbherzig und wie Treiber auf der Jagd den Farn nach seinem Haarteil ab. Beim Gedanken, dass es sich ein Fuchs geschnappt haben könnte und im Maul davongetragen hatte, oder dass es zufällig auf dem Kopf eines erstaunten Dachses gelandet sein könnte, musste ich kichern. Meine Jogginghose war durstig und sog sich mit Wasser von den dürren Halmen voll, bis sie schwer und klitschnass bis zu den Hüften an mir hing.

Im Drecksloch stand eine Waschmaschine. Unsere Klamotten kamen immer stinkend heraus. Ein modriger, pilzartiger Geruch war das, der vom Waschmittel nur mühsam überdeckt wurde. Auf Ziegelsteinen saß ich rechts neben der Hintertür unter dem einzigen Glasfenster. Das kleinste Segment des Fensters fehlte. Opa hatte stattdessen ein Stück splittriges Sperrholz in den Rahmen genagelt und scheinbar willkürlich ein paar Löcher hineingebohrt, um den Abflussschlauch der Waschmaschine mit der Steigleitung verbinden zu können. Ganze Sommer verbrachten meine Schwester und ich hier unten und spielten. Mit den Fingern pickten und drückten wir wie besessen im Fensterkitt der Glasscheiben herum, den die Sonne längst zu einem ölig riechenden Teig verkocht hatte. Wir stellten uns vor, wir selbst wären die Larven, die wir in einem Schuhkarton unter unserem Stockbett hielten. Als meine Schwester von zu Hause auszog, um zur Universität zu gehen, kam ich weiter hier herunter, nun allein. Dann setzte ich mich auf die Waschmaschine und ging mit dem Gesicht nahe an das schuppige Fenster, um einen Blick in den Garten hinter dem Haus zu erhaschen.

Dieser Garten war voll und ganz Bens Reich. Morgens stand ich immer früh auf, um ihn noch vor der Schule zu füttern; abends beeilte ich mich, rechtzeitig zu Hause zu sein, um ihm seine Abendration geben zu können. Dann trippelte er neben mir her wie ein Welpe, hob seinen hässlichen Kopf und schubberte und rieb sich an seinem orangenen Futternapf. Sein raues Rückenhaar kratzte zwischen den Gummistiefeln und dem Saum meines Schulrocks an meinen nackten Schenkeln. Ben hatte eine dicke, fette Schnauze, die ein wenig wie eine zerdrückte Bierdose aussah, und einen gekräuselten Schwanz, mit dem er wedeln konnte. Opa hatte den Kohlenschuppen zu einer Behausung für Ben umgebaut. „Stall“, so korrigierte mich der alte Mann, „so nennt man das, wo die Schweine wohnen.“ Er hatte damit begonnen, die Paletten mit einer Axt und einer Stange auseinanderzubrechen und die Einzelteile unter Schnaufen und Keuchen ungeordnet auf einen Haufen zu werfen. Als er sah, dass ich ihn beobachtete, wies er mich an, mit einer Zange die verbogenen Nägel aus dem Holz zu ziehen und sie in einem Eimer neben ihm zu sammeln. Er zeigte mir, wie man die Nägel in der Furche des Ambosses aufreihen und mit dem Hammer wieder geradeklopfen konnte. Mit einigen dieser nun nicht mehr krummen Nägel schlug er Planken über das verrottete Tor. Er fügte ruppiges Brett an ruppiges Brett und verschloss so den Durchgang. Danach lief er mit einer Rolle elastischen Netzes rund um den verrosteten und klapprigen Zaun, der für die schiefen Posten, die wir in den Beton eingelassen hatten, als wir auf den Hof gezogen waren, eigentlich etwas zu hoch war. Opa hatte Hände wie Schaufeln und in ihnen wirkte der hölzerne Griff des großen Vorschlaghammers wie Spielzeug. Mit explosiven Schlägen trieb er die Zaunklammern in den Boden, die er aus seiner Jackentasche gefischt hatte, wie Bonbons. Dabei trat er das, was von den Pflanzen noch übrig war, die Mama einst als Begrenzung gepflanzt hatte, platt. Er brauchte selten mehr als einen einzigen Schlag.

Opa warf alte Fahrräder und Kisten und kaputtes Werkzeug aus dem Kohleschuppen. Der Kram polterte durch den engen Garten und blieb knallend im Durchgang liegen. Opa zog ein Gartengerät heraus, das sich in einen Knäuel von Kabeln verheddert hatte, und kaputte gezackte Messer, bis der Schuppen leer war. Der Kohleschuppen war aus Ziegelsteinen. Er hatte einen Steinboden und keine Fenster. Das niedrige Dach, eine durchhängende Platte aus Sperrholz, war gegen das Wetter mit einem Flickenteppich aus Filz und silbernen Lappen abgedichtet worden. Der Schuppen war gerade hoch genug, dass ich darin stehen konnte. Opa aber musste auf allen Vieren durch die winzige Tür hineinkriechen. Die lila Farbe, mit der die alten Bretter einmal angemalt worden waren, blätterte bereits ab; und auf den langen, flachen Stahlscharnieren, die sie zusammenhielten, warf der Rost schon Blasen. Die Tür, ganz bröselig vom Moder, war von der letzten Bewohnerin des Schuppens – eine schlecht erzogene junge Promenadenmischung, die meine Schwester Jess getauft hatte – einfach durchgebissen worden. Wir hatten Jess noch von der Farm mitgebracht, aber sie hatte sich nie ganz an unser neues Leben hier gewöhnen können und war bei der erstbesten Gelegenheit weggelaufen. „Wahrscheinlich klebt sie jetzt irgendwo auf der Rochdale Road“, sagte Opa. Er meinte wohl, er könne uns damit trösten. Wir hatten, anders als einer unserer Vormieter, den Schuppen nie als Kohlelager benutzt. Hie und da fanden sich schwarze Klumpen und tiefschwarze Schlackeflecken an den Wänden. Opa kam hustend und keuchend aus der Hütte, sammelte dabei die Klumpen ein und ließ sie in seiner Manteltasche verschwinden. Schwarzer Staub bedeckte seinen Kopf und sein Gesicht. Beherzt trat er die Tür aus ihrer Verankerung. Sie überschlug sich und knallte scheppernd in den Zaun. Opa hantierte inzwischen mit einem Stück Bündelschnur, das er dazu verwendete, um die Öffnung zu vermessen. Dann zog er einen Stoß Wellblech aus dem Van und legte es über einen improvisierten Arbeitsblock aus mehreren Paletten. Er brauchte ein paar Minuten, um aus verschiedenen Geräten die noch funktionierenden Sicherungen zusammenzusuchen, aber dann flogen die Funken. Ich saß währenddessen am anderen Ende und hielt das Blech fest. Danach zog ich die alten verbogenen Beschläge aus der weggeworfenen Tür und klopfte sie zumindest annähernd gerade. Opa schraubte sie mit der Spitze eines Tafelmessers wieder an. Die Tür schrammte laut über den unebenen Boden. Um sie zu schließen, musst man sie anheben. Dann aber schloss sie gut und hielt auch dicht.

Wir aßen Sandwiches aus einer Eiscremeschachtel. Einen ganzen Laib Brot, bestrichen mit Margarine und belegt mit dicken Käsescheiben, Truthahnschinken, zähem Salat und Salatcreme. Mit unseren Fingerspitzen machten wir schwarze Flecken auf das feuchte Weißbrot. Still und nachdenklich stand Opa auf, und noch während er kaute, deutete er mir mit einer Kopfbewegung an, in unseren Kastenwagen zu steigen. Im Futterlager kauften wird auf unser altes Kundenkonto zwei halbe Bündel Stroh und drei Säcke mit Pressfutter. „Das wird die junge Sau durchbringen. Kann sein, dass es ein paar Wochen dauert, bis wir gutes Schweinefutter für ihn haben“, sagte Opa. Ben war glücklich. Wie besessen galoppierte er in seinem neuen Gehege herum.

Ben war ein echter Genießer, ein wilder Jungspund. Er fraß alles, was wir ihm in seinen Kübel warfen – Toast, Hühnerknochen, Porridge, Kohl. Wir zogen Steckrüben und Grünkohl aus den angrenzenden Feldern und reicherten damit sein Futter an. Es dauerte nur ein paar Wochen, dann hatte Ben den gesamten Garten in ein Schlammloch verwandelt. Alle paar Wochen mistete ich seinen Stall aus. Das dreckige Einstreu warf ich über den hinteren Zaun auf einen stetig wachsenden Haufen. Opa schaufelte das Zeug schließlich in alte Futtersäcke, die er an die Straße stellte, neben einem Schild, das er mir eines nachts diktiert hatte, nachdem er gut gelaunt von der Auktion zurückgekehrt war und kleine Steinchen an mein Fenster geworfen hatte, um eingelassen zu werden: „Kostenloser Schweinemist – der weltbeste Naturdünger“.

Ben war noch ein Ferkel, als Opa ihn nach Hause brachte. Mit seinem mächtigen Arm grüßte Opa uns. Er winkte uns mit einer großen, weitauslandenden Geste zu, wie ein Präsident beim Staatsbesuch. Sein rechter Arm hielt Bens zappelnde Mitte fest umschlungen. „Würste! Speck! Schweinebraten und Kruste!“, so predigte er uns mit leuchtenden Augen. „Gefüttert und gemästet von nichts weiter als den Resten von unserem Tisch!“ Meine Schwester kreischte erschrocken auf und vergrub ihr Gesicht unter Mamas Arm. „Wo bitte soll er denn leben, du dummer alter Bock?“, sagte Mama zu Opa. „Hier ist nicht mal genug Platz für uns, und jetzt bringst du auch noch ein verdammtes Schwein nach Hause!“ „Er ist doch noch klein“, sagte ich still. „Klein! Klein?“, rief Mama und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. „Klar, jetzt ist er noch ein Ferkel, aber aus diesem Ferkel wird bald eine große, stinkende Sau, die nur noch mehr Dreck macht, als wir hier eh schon haben.“ Opa aber gluckste nur und rieb mit seinen Knöcheln über Bens runzlige Brauen. „Ärger ihn nicht!“, schrie meine Schwester voller Angst. Ben verbrachte die Nacht unter einem umgedrehten Wäschekorb. Opa hatte unsere Schulklamotten, die sich darin befanden hatten, einfach auf den Küchenboden geworfen. Dort lagen sie nun, ein tropfender Haufen. Opa beschwerte den Korb mit einem losen Pflasterstein, den er einfach aus dem ungepflegten Weg vor dem Haus gebrochen hatte. Dann zog er zwei Ölradiatoren heran, um das Ferkel zu wärmen.

Atemlos rannte ich am nächsten Morgen sofort hinunter, vorbei an einer verknitterten Decke, die von unserem braunen Scheißhaufen von einer Couch heruntergefallen war. Auf einem geöffneten Buch über Schweinezucht lag Opas geklebte Lesebrille, das Buch wiederum thronte auf einem Stoß zerfledderter Ausgaben von Farmers Weekly, der ihm als Nachtisch diente. Ich drehte den Knopf am[VB1] Herd mit einer Festhaltezange und hielt den Stumpf einer Kerze in das ausströmende Gas, dann stellte ich einen Saucentopf auf die Flamme. Im Topf köchelte bald ein spezielles Rezept für Schweinemilch: ein beiges Gemisch aus fetter Kuhmilch, in die Opa, nicht ohne ziemlich Dreck zu machen, zwei Hühnereier geschlagen hatte, oder genauer, den Dotter, den er vom Eiweiß getrennt hatte. Schließlich schüttete er noch etwas Lebertran aus einer verdreckten Flasche dazu. Dann rührte er wie ein Wahnsinniger. Abgerundet wurde das Gebräu von einem Löffel Brausepulver mit Zitronengeschmack, das Opa aus einem kleinen Säckchen zauberte und danach wieder in die Innentasche seiner Jacke verschwinden ließ. Ich formte aus Butterbrotpapier einen Trichter, goss das dampfende Futter in unser altes Babyfläschchen und steckte die künstliche Brustwarze schließlich durch das Plastikgitter. Bens Quieken erstickte, als er wie ein Irrer die warme Milch einsaugte, seine kleine Nase schniefte, und es dauerte nur ein paar Momente, bis er die Flasche komplett geleert hatte. Dann protestierte er lautstark in seinem winzigen Gefängnis und trat mit seinen Füßen aus „wie ein Frühlingslamm“, wie meine Schwester voller Wehmut sagte, während wir ihn beobachteten. Opa war schon lange vor uns auf gewesen und der grelle Schein der Sicherheitslichter warf seine Silhouette an die Rückwand. In seinem Mantel und seiner Mütze sah er ziemlich unförmig aus, schwerfällig auf eine Art. Er krümmte sich über seine Arbeit, sein Nacken schien zu dampfen. Er wirkte wie ein Kobold.

Die Woche zuvor war er in der Schule aufgekreuzt und hatte meiner stets nervösen Lehrerin irgendetwas von einem „Familiennotfall“ erzählt, worauf sie mir, ganz blass vor Kummer, in meinen Mantel geholfen hatte. Behutsam tätschelte sie meinen Kopf und schob mich hinaus, wo unser laufender Kastenwagen wartete. Tränen traten ihr in die Augen. Ich zog mich auf den schmuddeligen Beifahrersitz und wir brausten davon. Die Lehrerin blieb im Rauch verbrannten Benzins zurück. Im zerbrochenen Rückspiegel sah ich noch, wie sie hustete. Nach etwa drei Meilen bogen wir in einen Hof ein, auf dem sich turmhoch die Holzpaletten stapelten. Opa, der durch seine falschen Zähne pfiff, ging zur Hütte in der das Büro untergebracht war. Nach ein paar Minuten kam er zurück und gab mir zu verstehen, dass ich aus dem Auto steigen sollte, um ihm beim Aufladen zu helfen. Zuhause schleppten wir die Paletten durch den engen Weg. Ich schnappte meinen zerschlissenen roten Overall vom Haken hinter der Eingangstür und zog ihn über meine Schuluniform, die schon viel zu lang gelitten hatte.

Auf dem Gemeinschaftsbereich hielten wir zwei kleine Pferde und ein Grubenpferd namens Ned. Sie waren dort mit langen Leinen an die Pfosten des Fußballtores gebunden. Den Winter verbrachten sie in der Hütte des Platzwartes, die Opa in Beschlag genommen und in eine Art improvisierten Stall verwandelte hatte, dort hinter einer Reihe von Nadelbäumen am Rand. Ned war ein kurzes und stämmiges Welsh Pony – weiß, mit langen Haaren und ungepflegt. Mit seiner hochstehenden kurzen Mähne und seiner Stirnlocke sah es so aus, als trug er eine Stoppelfrisur. Ned hatte breite, aber krumme Beine und war über und über von schwarzblauen Striemen bedeckt, die von alten Schürfwunden herrührten. Sein Schwanz war komplett abgeschnitten, nicht mehr als ein Stumpf. Für meine Schwester und mich war Ned ein Held. Zu zweit ritten wir auf seinem starken Rücken und gutmütig schlurfte er um die Pfosten, während wir Geschichten erfanden, die von seiner Tapferkeit handelten: Wie er einen Mann in die Sicherheit geleitete, während dieser sich, blind vom Grubengas, an seinem Schwanzstumpf festhielt; wie er mit seiner starken Stirn einen Steinschlag aufhielt, bis die Minenarbeiter entkommen waren. Wir streichelten seine Narben und erklärten uns gegenseitig, wie er sie sich zugezogen hatte. „Diese hier hat er, weil die Zigeuner versucht hatten, den Jungs ihren Fußball zu stehlen. Aber sie hatten nicht mit dem tapferen Ned gerechnet. Ned galoppierte wiehernd herein, stieg hoch und ließ seine Vorderhufe auf die Kühlerhaube des Pickups knallen, bis dort zwei Hufeisenabdrücke zu sehen waren. Als die Dummköpfe zurücksetzten, schnitt sich Ned an den Splittern einer zerbrochenen Stirnlampe oder irgendwie so etwas.“ Ich striegelte Ned den Nacken und die Beine, ich gurrte ihm dabei ins Ohr und kratzte Brocken von getrocknetem Matsch aus seinen Haaren. Ich bürstete ihn mit einem runden Plastikstriegel. Opa hatte einen Plastikhelm, den er dazu verwendete, um mit Nüssen angereichertes Futter aus einer Tonne zu schaufeln. Ich tat eine große Handvoll strahlend gelber Kurkuma in Neds Futter und mischte es mit dem Hafer und dem Granulat. Es sollte helfen seine Gelenkschmerzen zu lindern. Die Kurkuma hinterließ einen Fleck auf dem Kragen meiner Schuluniform und die Haut auf meiner Hand sah aus, als hätte ich Gelbsucht. Der Geruch erinnerte mich an dieses lecker gewürzte buttrige Curry, das uns Opa einmal mitgebracht hatte. Er entfernte die Pappdeckel von den Folienbehältern, sie waren total fettig an der Unterseite, und gab uns die dicken, dampfenden Hühnerbrocken, die in einer leuchtend-cremigen Sauce schwammen, zu Essen. Die Sauce färbte unsere Finger und unsere Münder ein. Dazu aßen wir diese dicken flachen Brote, die ebenfalls in Folie verpackt waren. Wir nahmen das Brot, in dessen Innerem sich Mandelpaste und kleine Fleckchen rot und grün gefärbter Kokosnuss fanden, und wischten damit erst unsere Teller aus, dann das Tablett und dann, immer verzweifelter, die Unterseite der Deckel, die wir aus dem Müll gezogen hatten. Ich siebte die Kackklumpen mit einer großen gezackten Gabel aus dem Strohbett. Die Pferde standen währenddessen bedröppelt in der Ecke. Ich gabelte vom Urin getränkte Klumpen in die Schubkarre. Vom Ammoniak tränten meine Augen. Ich lief zügig zum Misthaufen und wie eine Seiltänzerin balancierte ich einen verrotteten Balken entlang, um die Karre oben hinein auszuleeren. Das Wasser hatte eine Farbe wie Eisen und sammelte sich in meinen Fußstapfen. Als wir nach Hause kamen, war es dunkel. Mamas Schicht hatte schon begonnen. Während ich die Teile einer Motorsäge vom Tisch räumte, machte uns Opa Tee in großen Tassen und Bohnen auf Toast. Wir setzten uns an den Tisch und aßen. Und bis auf das Kratzen unserer Messer und Gabeln war es still im Haus.

übersetzt von Dominikus Müller

Stuart Middleton, Ohne Titel, Ausstellungsansicht, Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien, Graz, 2018
Foto: Markus Krottendorfer.

03.01.2019